Page 31 - DFB-Schiedsrichterzeitung 01-2019
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              ast 3.000 Namen, historische Dokumente, in-                                          TE X T
              teressante Daten und viele Fotos – das verrät be-                                    David Bittner
         F reits das Buchcover über den Inhalt des Werkes,
          an dem Ralf Wittchen viele Monate lang gesessen hat.
          Mehr als 50 Jahre ist es her, dass der Referee aus Cott-
          bus den Schiedsrichter-Schein gemacht hat. Als Unpar-
          teiischer schaffte er es bis in die DDR-Liga, die zweit-                                 Schiedsrichter
          höchste Spielklasse damals. Als Linienrichter amtierte                                   Ralf Wittchen vor
          er sogar bis in die DDR-Oberliga.                                                        dem Nachwuchs-
                                                                                                   Oberligaspiel
                                                                                                   Dynamo Dresden
          Nach der Zeit als Aktiver folgten verschiedene Tätigkei-                                 gegen Wismut Aue
          ten auf Kreis- und Landesebene, und auch heute noch                                      im Jahr 1989.
          beobachtet Ralf Wittchen im Umkreis von Cottbus junge                                    Linienrichter
          Schiedsrichter bei ihren Spielen in der Verbands- und                                    waren damals die
          Landesliga. „Jungen Schiedsrichtern Hinweise und Erfah-                                  beiden DDR-Liga-
                                                                                                   Schiedsrichter
          rungen weitergeben zu können, macht mir Spaß“, erzählt                                   Frank Leopold und
          der heute 69-Jährige, der gerne an Regel- und Weiter-                                    Wolfgang Schulz.
          bildungsabenden im Kreis teilnimmt.
                                                      meine Frau hat mich in dieser Phase gut unterstützt – wie
          Bei diesen Veranstaltungen hat er die Erfahrung gemacht,   übrigens schon zu meiner aktiven Schiedsrichter-Zeit.“
          dass vor allem die jungen Schiedsrichter oft nur wenig
          über die Vergangenheit wissen. Gerade die Namen älte-  Für die Druckkosten ging Ralf Wittchen persönlich mit
          rer verdienter Schiedsrichter seien der heutigen Gene-  einem mittleren vierstelligen Betrag in Vorkasse. Nach-
          ration unbekannt. „Mein Ziel war es, eine Namensliste   dem inzwischen aber alle Bücher verkauft sind, sind
          mit möglichst vielen Daten zu den Schiedsrichtern in   diese Unkosten immerhin gedeckt – nicht mehr und
          Brandenburg zusammenzustellen. Die jungen Unpar-  nicht weniger. „Manche Schiedsrichter-Freunde vermu-
          teiischen sollten auf diese Weise etwas über die Ver-  ten, dass ich durch den Verkauf der Bücher reich gewor-
          gangenheit und die Geschichte des Schiedsrichterwe-  den sei“, lacht der Schreiber, der sich wegen des Projekts
          sens in unserem Landesverband erfahren“, berichtet   beim Finanzamt sogar als Kleinunternehmer anmelden
          Wittchen.                                   musste.

          Nach und nach stellte er fest, dass es nicht nur die Namen,   Ihm sei es aber von Anfang an nie darum gegangen,
          sondern auch viele Begebenheiten von und mit Schieds-  finanziellen Profit aus der Aktion zu schlagen: „Ich habe
          richtern gab, die er unbedingt „konservieren“ wollte.   die Chronik zusammengestellt, um dem Vergessen
          Auch Beschlüsse von Gremien über die Vergütung, über   – was in unserer Gesellschaft und auch im Schiedsrich-
          Einstufungen, Ehrungen, Lehrgänge, grenzüberschrei-  terwesen so weit verbreitet ist – vorzubeugen.“
          tende Einsätze erschienen ihm so interessant, dass er
          sie in die Chronik aufnahm. Genauso Kuriositäten wie   Und in einer Sache ist sich Wittchen sicher: „Wenn in
          zum Beispiel die sozialistische Zuteilung von Schieds-  den Verbänden und in den Vereinen Traditionen mehr
          richter-Kleidung oder Karikaturen, die die Schiedsrich-  gepflegt würden, auch und gerade in den Schiedsrich-
          terei betreffen.                            ter-Gruppen, dann wäre die Gewinnung neuer Unpar-
                                                      teiischer sicherlich etwas leichter. Das Schiedsrichter-
          Um das Material zu sammeln, hatte Ralf Wittchen viele   wesen sollte ein lebendiges Geschichtsbuch sein – wo
          ehemalige Schiedsrichter angeschrieben und um Zuar-  aus den Funken, die noch in den Alten glimmen, neue
          beit gebeten. Darüber hinaus arbeitete er jede Ausgabe   Flammen werden.“
          der „Fußball-Woche“ ab 1976 und alle Ansetzungshefte
          der Bezirke Potsdam und Cottbus durch, die jemals
          gedruckt wurden. Außerdem die vielen Mitteilungsblät-
          ter der damaligen Bezirksfachausschüsse.

          So saß Ralf Wittchen ein halbes Jahr lang mehr als neun     222
          Stunden täglich am Schreibtisch und fütterte seinen
          Computer mit Daten. „Beim Durcharbeiten der Doku-
          mente und Materialien habe ich das, was ich für wertvoll
          erachtete, sofort eingetippt. In der Schlussphase musste
          ich andere Programme von meinem Computer löschen,
          weil sonst die Speicherkapazität nicht mehr ausgereicht   Seiten umfasst die „Fußball-Schiedsrichter-Chronik für das
          hätte“, erzählt er.
                                                               Land  Brandenburg“, die komplett farbig gedruckt ist –
                                                            abgesehen von den historischen Schwarz-Weiß-Fotos im Buch.
          Die Arbeit sei zwar zeitraubend gewesen, aber er habe   Allein der Abschnitt mit den Namenslisten umfasst rund 100 Seiten.
          sie nie als anstrengend empfunden. Erst als das Frühjahr   In diesem Teil sind alle Schiedsrichter aufgeführt, die von der DFB-Liste
          gekommen sei, habe er erstmals etwas Zeitdruck gespürt:
          „Da wurde es etwas schwieriger, die Arbeit im Garten und   bis hinunter in die Bezirksklassen tätig waren.
          die Arbeit am Buch unter einen Hut zu bringen. Aber
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