Page 6 - DFB-Schiedsrichterzeitung 02-2020
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       Neben den praktischen
       und theoretischen   dieser Bereich enorm wichtig“, sagt Bundesliga-Assis-  Szenen aus dem internationalen Fußball nach, diskutie-
       Einheiten war auch   tent Frederick Assmuth.                  ren gemeinsam die Entscheidungen der Kollegen. „Das
       der Teambuilding-                                             schafft einen Mannschaftsgeist, wir wollen möglichst
       Gedanke ein
       wichtiger Aspekt des   Aber nicht nur körperlich, auch theoretisch arbeiten die   einheitlich agieren“, erklärt Dr. Jochen Drees, der die
       Trainingslagers.  Unparteiischen – und schwören sich etwa in einem Bun-  „VAR-Übungen“ leitet. „Außerdem wollen wir noch
                        galow auf die Herausforderungen im Kölner Video-  schneller  werden  in  der Entscheidungsfindung.  Die
                        Assist-Center ein. In dem Gebäude auf dem Hotel-  Basics und gängigen Abkürzungen sollen in Fleisch und
                        Gelände wurde dieses praktisch originalgetreu nachge-  Blut übergehen, damit man in der Hitze des Gefechts
                        baut und die 80 Teilnehmer spielen in kleinen Teams   am Spieltag darüber nicht mehr nachdenken muss.“




       „WIR  B R AU CHE N  K E INE  NEUE N  REG E LN “



       Im Interview mit der DFB-Schiedsrichter-Zeitung spricht der Sport-  Was waren die Schwerpunkte im physischen Training?
       liche Leiter der Elite-Schiedsrichter, Lutz Michael Fröhlich, über   Wir hatten bereits im Sommer sehr viele Verletzte unter den
       die Arbeit im Trainingslager, zieht ein Fazit der Hinrunde und   Schiedsrichtern. Die Situation hat sich nicht wesentlich entspannt,
       erklärt neue Maßnahmen für die Rückrunde.            obwohl die medizinische und physiotherapeutische Betreuung
                                                            ausgezeichnet ist. Wir sind da mit unserer medizinischen
       Wie wurden in den verschiedenen Arbeitsgruppen während des Trai-    Abteilung in Kontakt. Abgesehen von individuellen Problemen,
       ningslagers die Schwerpunkte gesetzt?                lässt sich ein altersbedingter Verschleiß nicht leugnen. Wenn
       Jede Gruppe hatte einen Themenschwerpunkt, der ihren Job betraf,   man acht bis zehn Jahre als Bundesliga-Schiedsrichter aktiv ist,
       also Schiedsrichter, Schiedsrichter-Assistenten und Video-Assisten-  mit viel Training und immer höheren körperlichen Anforderun-
       ten, sowie einen Schwerpunkt, der ihre Spielklasse betraf. Sie sahen   gen in den Spielen, dann ist die Gefahr für Anfälligkeiten für die
       Spielszenen aus ihrer Spielklasse, weil jede Liga auch ihre eigene   „Ü 40er“ hoch. Unsere Schiedsrichter fallen zum Glück aber meis-
       Spielkultur hat. Regeltechnisch befassten wir uns vor allem mit dem   tens nicht für einen längeren Zeitraum aus. Das ist ähnlich wie
       Thema Handspiel. Da gab es viele Situationen in der Hinrunde, die   bei Spielern, auch dort gibt es immer mehr kurzfristige Ausfälle.
       Diskussionen auslösten. Aber regeltechnisch wurden fast alle Situ-  Schiedsrichter sind auch Leistungssportler, da bleibt das am
       ationen korrekt entschieden. Es gab nur zwei, drei Szenen, die zu   Ende nicht aus. Wir sind im Moment froh, einen großen Kader zu
       anderen Entscheidungen hätten führen müssen. Unsere Auffassung   haben.
       zum Thema Handspiel ist, dass es immer Diskussionen geben wird,
       in welche Richtung man das Regelwerk auch immer ändert.  Wie fällt Ihr Hinrunden-Fazit aus?
                                                            In der Bundesliga sind durch den Video-Assistenten 61 gravie-
       In der öffentlichen Diskussion wurde in der Hinrunde dann oft auch   rende Fehler verhindert worden, in der 2. Bundesliga 65. Das zeigt,
       die Arbeit des Video-Assistenten kritisiert. Zu Recht?  dass der Video-Assistent hilfreich ist. Es gibt natürlich immer noch
       Die Diskussionen wurden meistens sehr stark aus der persönlichen   Verbesserungsbedarf, zum Beispiel bei den nicht erfolgten Ein-
       Betroffenheit geführt. Das Instrument Video-Assistent ist noch jung   griffen, die wir uns noch gewünscht hätten. Das sind acht in der
       und jeder hat andere Erwartungen dazu. Und Handspiel ist seit jeher   Bundesliga und sechs in der 2. Bundesliga. Auch bei den falschen
       ein Diskussionsthema. Gäbe es diese Schwerpunkte nicht, hätten   Interventionen gibt es noch Verbesserungspotenzial, obwohl wir
       wir sicherlich andere. Das ist auch eine Frage der Kultur in Deutsch-  dort auf einem guten Weg sind. Es gab einige sehr gute Spiellei-
       land. Alles soll bis ins letzte Detail festgelegt werden, gleichzeitig   tungen, insbesondere in den vermeintlichen Topspielen, dabei
       wird alles hinterfragt, jeder möchte seine Interessen im Regelwerk   auch viele sehr gute Eingriffe. Dem gegenüber stehen einige
       wiederfinden und zugleich soll alles einfacher werden und für jeden   wenige nicht so gelungene Spielleitungen bzw. Eingriffe. Das
       verständlich bleiben. Das ist schwierig! Wir nehmen die Diskussio-  Positive überwiegt insgesamt. Leider wird über das Negative mehr
       nen aber sehr ernst und schauen, welche Impulse weiterhelfen   geredet, aber damit wird man der Leistung der Schiedsrichter
       könnten.                                             nicht gerecht.
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