Page 7 - DFB-Schiedsrichterzeitung 02-2020
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          Über die einzelnen Szenen und ihre Auslegung wird viel                                   Stefan Kuntz räumte
          diskutiert. „Das wollen wir auch so“, sagt Drees. „Viele                                 Miss ver ständ nisse bei
          Szenen sind strittig, da sind unterschiedliche Haltungen                                 der Zusammen arbeit
          erlaubt.“ Oder wie es FIFA-Referee Deniz Aytekin in einer                                mit Trainern aus dem
                                                                                                   Weg.
          Übung ausdrückt: „Diese Szene wird uns hier in Lagos
          gezeigt, da muss was passiert sein …“
          Apropos Mannschaftsgeist: Dieser wird auch am Abend
          beim Billard oder auf der großen Pool-Terrasse beschwo-
          ren. Außerdem wird bewusst in „Cockpit-Meetings“ ohne
          die Chefs diskutiert. „Da können sich die Schiedsrichter
          untereinander austauschen, ohne dass wir als ‚Kontroll-
          distanz‘ danebensitzen“, erklärt Fröhlich.

          Ein neuer Punkt auf dem Programm ist ein Vortrag von   Am Ende bekommt der Trainer viel Applaus für seinen
          DFB-Trainer Stefan Kuntz, der den Referees die Sicht   Vortrag – und ist darüber fast überrascht: „Aus meiner
          eines Trainers näherbringt. Er betont: „Es gibt nicht die   aktiven Zeit kenne ich das gar nicht. Ich kann mich nicht
          Schiedsrichter auf der einen, die Spieler auf der anderen   erinnern, dass ein Schiedsrichter am Ende etwas Loben-
          Seite und die Vereine dort. Es ist immer positiv, sich   des gesagt hätte.“ Er lacht.
          untereinander auszutauschen, um Missverständnisse
          aus dem Weg zu räumen. Da gibt es seitens der Schieds-  „Es ist toll, dass Stefan Kuntz bei uns ist und uns seine
          richter eine sehr hohe Bereitschaft.“ Trainer und Sport-  Sicht der Dinge näherbringt – und auch durchaus seine
          manager aus der Bundesliga hatten Kuntz Ideen und   Erwartungen an die Schiedsrichter formuliert“, freut sich
          Anmerkungen, Lob und Kritik für den Besuch ins Trai-  Fröhlich. „Das sind wertvolle Impulse, wie Trainer die
          ningslager mitgegeben.                      Schiedsrichter sehen und inwieweit Trainer sich taktisch





                                                               „Gelb“. Für das Auslösen von Rudelbildungen, durch Provokationen
                                                               zum Beispiel, muss es „Gelb“ geben. Wenn der Ball nach einer Ent-
                                                               scheidung weggeschossen wird, gibt es „Gelb“. Diese Dinge müs-
                                                               sen wir in den Griff bekommen – und da müssen die Schiedsrichter
                                                               auch konsequent und einheitlich agieren. Wer gegen Schiedsrichter
                                                               gestenreich reklamiert, sieht „Gelb“. Und wird dann weiter rekla-
                                                               miert, dann führt das zu „Gelb/Rot“. Diese Unsportlichkeiten und
                                                               Respektlosigkeiten schaden dem Ansehen des Fußballs und strah-
                                                               len in den Amateurbereich aus.

                                                               Im Sommer steht die Europameisterschaft an. Gibt es schon eine Per-
                                                               spektive, welche oder welchen deutschen Schiedsrichter wir dort sehen
                                                               werden?
                                                               Das ist eine Entscheidung der UEFA. Aktuell laufen die Vorberei-
                                                               tungsseminare mit zwei deutschen Schiedsrichtern, Felix Brych und
                                                               Felix Zwayer, und deren Teams. Die Entscheidung fällt im Frühjahr.
                                                               Ich drücke allen fest die Daumen.
                                                               Was sind Ihre persönlichen Ziele für 2020?
          Was wollen Sie in der Rückrunde anders machen?       Es ist wichtig, dass wir auf dem Weg der kontinuierlichen Weiter-
          Wir wollen vor allem Unsportlichkeiten, Respektlosigkeiten, Rekla-  entwicklung bleiben, in allen Bereichen. Mit den Ressortchefs –
          mationen und das ständige Fordern von Gelben Karten stärker   Dr. Jochen Drees für den Video-Assistenten, Peter Sippel für Trai-
          unterbinden, wenn notwendig auch mit mehr Konsequenz. Wir   ning und Qualifizierung, Florian Meyer für Spielbegleitendes Coa-
          müssen dafür ja keine neuen Regeln erfinden. Das Regelwerk spricht   ching – haben wir ein sehr motiviertes Kernteam in der Sportlichen
          eindeutig vom Respekt gegenüber dem Schiedsrichter, gegenüber   Leitung zusammen. Es macht Spaß, in dieser Zusammensetzung
          dem Spiel und gegenüber dem Gegner. Wer dagegen verstößt, der   zusammenzuarbeiten. Das funktioniert auch zwischenmenschlich
          begeht eine Unsportlichkeit und dafür sind Gelbe Karten vorgese-  prima. Wir werden uns weiter darum kümmern, dem Spitzenfußball
          hen. Wir haben in den vergangenen anderthalb Jahren sehr viel da-  sehr gut ausgebildete, sehr gut geschulte und kompetente Schieds-
          rauf hingewiesen und darüber gesprochen, es ist aber leider nicht   richter mit fußballerischem Gespür zur Verfügung zu stellen. Und
          besser geworden. Deshalb werden wir uns hier dem internationalen   wir werden dabei ganz sicher auch nicht das Geschehen an der Basis
          Standard etwas nähern und klarer dagegen vorgehen.   aus den Augen verlieren. Der Video-Assistent soll Schritt für Schritt
                                                               weiter stabilisiert werden. In der Regelauslegung wollen wir durch
          Das heißt: Wer das Video-Assistent-Zeichen macht, bekommt „Gelb“.   mehr Kommunikation mehr Verständnis erreichen. Im Dialog mit
          Wenn bei einer Strafraum-Situation sofort drei Spieler wie von der   den Klubs, den Trainern und Spielern wollen wir einen gemeinsa-
          Tarantel gestochen auf den Schiedsrichter zurennen, dann gibt es   men Nenner finden zum Thema Respekt und Umgang miteinander.
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