Page 30 - DFB-Schiedsrichter-Zeitung 2/2019
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schneider, der Trainer, kann das bestätigen: „Eine Gelbe
Karte gegen die Bank ist noch okay, aber eine Zeitstrafe
ist ein Tabu für mich, denn ich schade meinem Team
damit.“ Womöglich wird Wagners Wunsch in der Zukunft
erfüllt: Der International Football Association Board tes-
tet aktuell schon Persönliche Strafen gegen Trainer.
AU S S E T Z E N N AC H B E H A N D LU N G
Aber wie ist es mit den Spielern? Stimmt das Klischee
wirklich, sind Handballer wirklich robuster und mehr auf
ihre originäre Aufgabe fokussiert, sodass sie weniger
Zeit damit verschwenden, beim Schiedsrichter zu pro-
testieren? Mitunter scheint das tatsächlich so zu sein:
„Ich war sehr beeindruckt von Andy Schmid von den
Rhein-Neckar Löwen“, sagt Wagner. „Immer wenn der
von Wetzlar robust gestoppt wurde, hat er sich kurz
geschüttelt und dann einfach weitergemacht. Ein Fuß-
baller hätte sich viel eher und vehementer beim Schieds-
richter beschwert.“ Ein möglicher Grund dafür steht im
Regelwerk: Im Handball müssen Spieler drei Angriffe
aussetzen, wenn sie nach einem Foul auf dem Boden
Von links: Fußball- liegen bleiben und medizinische Behandlung in An-
Lehrwart Lutz Wagner, Umgekehrt, merkt Wagner an, würden sich auch die spruch nehmen. Damit will man Schauspielerei entge-
Handball-Trainer Kai Schiedsrichter mal andere Gesten von der Bank wün- genwirken. Nur wenn für das Foul eine Persönliche Strafe
Wandschneider (HSG schen als das ewige Abwinken. „Es ist unglaublich ausgesprochen wird, greift diese Regel nicht.
Wetzlar) und Handball-
Lehrwart Jürgen wichtig für uns Schiedsrichter, wenn ein Trainer auch
Rieber tauschten sich mal eine vermittelnde Geste in unsere Richtung macht. Eine andere Erklärung für die mangelnde Motivation
miteinander aus. Dann hat man es als Schiedsrichter mit dem Umfeld viel zum Protest könnte aber auch in der Schnelligkeit des
leichter. Wütende Gesten sind ohnehin viel schlimmer Spiels begründet sein. Im Handball geht es nach Unter-
als jedes Wort, weil sie eine ganz andere Wirkung auf brechungen oft sofort weiter, während es im Fußball
das Publikum haben. Gesten wirken auch bis auf die mehr Pausen zwischen den heißen Aktionen gibt. Ein
letzten Plätze in der Arena.“ Vor- und Nachteil gleichermaßen, bieten längere Unter-
brechungen potenziellen Protestorgien zwar mehr Gele-
Und wenn die Kommunikation überhaupt nicht mehr genheit, geben dem Schiedsrichter aber auch die Option,
funktioniert? Eine Regel, die sich Lutz Wagner auch im größeren Einfluss auf das Klima auf dem Platz zu neh-
Fußball wünschen würde, ist die Möglichkeit, Persönli- men. Wagner meint: „Unsere Schiedsrichter können und
che Strafen auch gegen die Bank auszusprechen: „Ich sollen in diesen Phasen proaktiv arbeiten und auch mal
finde die Bankstrafen, die es bei euch im Handball gibt, ein Wort mit einem Spieler reden, damit hitzige Situati-
wirklich gut. Die tun der Mannschaft weh.“ Kai Wand- onen gar nicht erst entstehen.“
Zu seiner Zeit als
aktiver Schiedsrichter
leitete Jürgen Rieber
mehr als 600 Spiele
in der Handball-
Bundesliga.