Page 6 - DFB-Schiedsrichterzeitung 05-2019
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6         TITE LTH E M A
                D FB -S C H I E D S R I C H T E R -Z E I T U N G  0 5 | 2 019



                                                                     erst ganz zum Schluss entscheide ich über eine Per-
                                                                     sönliche Strafe.“

                                                                     Welches Vergehen welche Strafe erfordert, darüber dis-
                                                                     kutieren die Unparteiischen mit Florian Meyer und Peter
                                                                     Sippel, der erstmals als Teil der sportlichen Leitung beim
                                                                     Lehrgang dabei ist. Gemeinsam analysieren die Schieds-
                                                                     richter Videoszenen. Es geht um die Fallmuster von
                                                                     Spielern. Was spricht für ein Foul? Was sind fußballty-
                                                                     pische Abläufe? „Grundsätzlich gilt: keine leichtfertigen
                                                                     Pfiffe!“, mahnt Meyer. „Ahndet vor allem in Strafraum-
                                                                     nähe und im Strafraum nur die Vorgänge, bei denen ihr
                                                                     absolut überzeugt seid, dass ein Foul vorliegt.“

                                                                     „Auf Situationen vorbereitet sein“ steckt auch hinter
                                                                     einem Hinweis von Peter Sippel: „Ein neues Verhaltens-
                                                                     muster ist beispielsweise, dass Spieler in Ballbesitz ihren
                                                                     Gegenspieler mit dem Arm auf Distanz halten und die
       Peter Sippel gehörte                                          Hand dabei häufig ins Gesicht des Gegners geht. Auch
       erstmals zum     lich für den Unparteiischen ausgeht, darf er nicht ein-  wenn diese Situationen zunächst unscheinbar aussehen,
       Referenten-Team.  fach darüber hinwegsehen. Stattdessen muss er ehrlich   dürfen wir da keine Toleranz zeigen, sondern müssen
                        zu sich selbst sein und analysieren, was er beim nächs-  gegen solche Vergehen vorgehen.“
                        ten Mal besser machen kann.“
                                                                     Als ehemalige Assistenten nehmen Jan-Hendrik Salver
                        In weiteren Szenen geht es um das Spielerverhalten bei   und Rainer Werthmann die Themen Abseits und Team-
                        Standardsituationen und die Komplexität von Spielsze-  work genauer unter die Lupe. Das Ziel nach der Betrach-
                        nen, insbesondere auch für den Assistenten. „Der muss   tung einiger Spielszenen: „Jeder Unparteiische soll den
                        innerhalb weniger Sekunden oft viele brutal schwierige   gleichen Gedanken zur Szene im Kopf haben und über
                        Entscheidungen hintereinander treffen. Es kommt zu   ein entsprechendes ‚Lösungswort‘ schnell und unmiss-
                        schnellen Positions- und Richtungswechseln und zu   verständlich im Team darüber kommunizieren können“,
                        zeitgleichen Vergehen von Angreifern und Verteidigern.“   erklärt Salver.

                        Als Unparteiischer müsse man sich seiner Herausforde-  Rainer Werthmann greift abschließend noch mal eine
                        rungen bereits im Vorfeld bewusst sein, um während   Szene vom vorletzten Spieltag der vergangenen Saison
                        der Stress-Situation im Stadion einen klaren Gedanken   auf: Im Spiel Dortmund gegen Mönchengladbach hatte
                        fassen zu können, erklärt Lutz Wagner. „Die mentale   der Ball zwar hinter der Linie aufgesetzt, diese aber nicht
                        Vorbereitung beginnt lange vor dem Anpfiff. Als Schieds-  mit seinem vollen Durchmesser überquert – und war
                        richter muss ich Referenzszenen im Kopf gespeichert   deshalb auch nicht im Aus. „Solch knappe Aus-Situati-
                        haben, die ich mit einer Situation im Spiel abgleichen   onen sind alles andere als selten“, sagt Werthmann. Im
                        kann. Das ist die einzige Möglichkeit, unter Druck die   Schnitt kämen sie pro Spiel viermal vor. Auch in solchen
                        richtige Entscheidung zu treffen.“           Situationen gilt für den Assistenten: „be prepared“ – „sei
                                                                     vorbereitet“.
                        Der DFB-Lehrwart spricht in dem Zusammenhang auch
                        darüber, wie wichtig es für einen Referee sei, bei jeder   Am Ende des sechstägigen Trainingslagers ist der fach-
                        Situation die Handlungskette einzuhalten: „Als Erstes   liche Input groß, den die Elite-Schiedsrichter mit nach
                        muss ich mir immer die Frage stellen, ob eine Spielun-  Hause nehmen. Sie sind auf die neue Saison vorbereitet –
                        terbrechung notwendig ist. Erst danach mache ich mir   und lassen sich in den kommenden Wochen hoffentlich
                        Gedanken über die notwendige Spielfortsetzung. Und   von nichts mehr überraschen.



         Schiedsrichter als Ballkünstler


         Den spaßigen Abschluss des Trainingslagers gab es
         in diesem Jahr in Form eine Fußballspiels: Eine Mann-
         schaft mit Elite-Referees und DFB-Mitarbeitern trat
         dabei unter dem Namen „Spielvereinigung Otto Fleck“
         gegen eine regionale Schiedsrichter-Gruppe an und
         gewann das Spiel mit 7:0 Toren. Diese erzielten Edu-
         ard Beitinger (per Foulelfmeter), Simon Goldhammer,                                   Die „Spielvereinigung
         Sven Jablonski, Matthias Jöllenbeck und Daniel Sie-                                   Otto Fleck“ (weiße
         bert. Wochen zuvor hatte die Mannschaft übrigens                                      Trikots) und ihre
                                                                                               Gegner beim
         auch den Titel bei der inoffiziellen Deutschen Schieds-                               Freundschafts-Kick in
         richter-Meisterschaft eingefahren.                                                    Grassau.
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