Page 15 - DFB-Schiedsrichterzeitung 06/2019
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der Verhinderung einer klaren Torchance, die regeltech- Ball absichtlich mit der Hand oder dem Arm berührt.
nischen Vorgaben bei Vergehen gegen Teamoffizielle Doch auch ein unabsichtliches Handspiel kann nunmehr
sowie die möglichen Sanktionen bei Vergehen außer- bestraft werden – und zwar im unmittelbaren Zusam-
halb des Spielfelds. menhang mit einer Torerzielung.
Die Herausforderung für die Lehrwarte in den Verbän- Unabhängig von diesen neuen Regelvorgaben bleibt
den und Kreisen besteht nicht nur darin, dass die Sach- dem Schiedsrichter aber auch in Zukunft gerade bei der
verhalte meist sehr komplex sind, sondern auch darin, Bewertung von „Handspiel“ in seinen Entscheidungen
dass die Regeländerungen oft erst kurzfristig vor Beginn ein Ermessensspielraum, der auch weiterhin zu zahlrei-
des Spieljahres veröffentlicht werden. Eine intensive chen Diskussionen Anlass geben wird – das wird selbst
und zeitgerechte Schulung der Unparteiischen ist somit der Einsatz des Video-Assistenten nicht verhindern.
schwierig. Im zurückliegenden Sommer erfolgten einige
Hinweise sogar erst nach Saisonbeginn – dies betraf Bei der Arbeit an der Regel 12 mit den aktuellen Neu-
Klarstellungen gleich zu mehreren Neuerungen, zum erungen wird deren Komplexität deutlich. Viele Lehr-
Beispiel den Verzicht der Verwarnung eines Torhüters, warte beginnen deshalb auch die Ausbildung von
wenn dieser sich beim Elfmeterschießen zu früh von der Schiedsrichter-Anwärtern mit diesem Regelthema –
Linie bewegt. kommt doch hinzu, dass dabei gleich mehrere Elemente
anderer Spielregeln eingebunden werden können. Hilf-
In einem Rückblick zeigt die Historie der Fußballregeln, reich ist dabei auch, dass die benannten Regelverstöße
dass bei der Festlegung der ersten Bestimmungen im selbst für einen Anfänger in Sachen Regelkenntnis gut
Jahr 1863 neben einigen administrativen Inhalten die nachvollziehbar sind. So ist es zum Beispiel für jeden
Spielkleidung und die Abseitsregel im Fokus der Regel- ersichtlich, dass Fouls wie Beinstellen, Treten oder Sto-
wächter standen. Bezogen auf das „Foulspiel“, wurde in ßen gegen den Gegner mit einem direkten Freistoß
den damals herausgegebenen 14 Grundsätzen lediglich sanktioniert werden müssen.
deutlich gemacht, dass es verboten sei, dem Gegner
gegen das Schienbein zu treten. Im Jahr 1871 wurde Im DFB-Lehrbrief Nr. 87 wird deutlich, dass eine genaue
schließlich allen Feldspielern das Handspiel verboten. Kenntnis dieser für Schiedsrichter zentralen Spielregel
Eine Einschränkung zum besonderen Status des Torhü- die Grundlage einer jeden Spielleitung ist und sich des-
ters gab es 1967 mit der Regel, nach der sich ein Tor- halb nicht nur auf die Änwärter-Ausbildung reduzieren
wart nur noch vier Schritte mit dem Ball in der Hand darf. Auch gestandene Unparteiische müssen sich mit
bewegen durfte, dann musste er diesen freigeben – dem Thema „Fouls und unsportliches Betragen“ stän-
inzwischen ist diese längst wieder abgeschafft. Statt- dig befassen und vor allem die dazugehörenden Regel-
dessen wurde es 1992 den Torhütern verboten, nach ände run gen Jahr für Jahr intensiv bearbeiten.
einem bewusst gespielten Rückpass den Ball mit der
Hand aufzunehmen. Einige Jahre später nahm der IFAB Im handlungsorientierten Lernen auf der Grundlage
die Sechs-Sekunden-Regel in das Regelwerk auf. eines Clusters und am Beispiel mehrerer Videoszenen Trotz der neuen
bieten die Verfasser des Lehrbriefs deshalb den Lehr- Textpassagen zum
Regelfestlegungen in Sachen „Handspiel“, wie auch Ver- warten interessante und motivierende Methoden zur Thema Handspiel
wird es diesbezüglich
änderungen der Spielregeln bezogen auf die Spielidee, Fortbildung ihrer Unparteiischen. auch weiterhin
dass das Angriffsspiel einen besonderen Stellenwert Diskussionen geben.
bekommen sollte, zogen sich in den Folgejahren wie
ein roter Faden durch die Regel 12. Immer wieder pass-
ten die Regelhüter die Spielregeln aktuellen Entwick-
lungen und Spielweisen der Teams an.
Zusätzlich zu den bereits erläuterten Änderungen des
Regelwerks gab es mit Beginn dieser Saison für die
Schiedsrichter auch neue Vorgaben, was die Bewertung
von Handspiel betrifft. Nachdem es hierzu in der Ver-
gangenheit keine genaue Definition gab und dies Spiel-
tag für Spieltag zu heftigen Diskussionen in den Medien
führte, wurden die Vorgaben dazu im zurückliegenden
Sommer präzisiert. In den Spielregeln heißt es jetzt unter
anderem:
„Ein Vergehen liegt in der Regel vor, wenn ein Spieler
– seinen Körper aufgrund der Hand-/Armhaltung unna-
türlich vergrößert,
– sich seine Hand/sein Arm über Schulterhöhe befin-
det ...“
Zudem weicht die Einschätzung des Handspiels vom
bisherigen Grundgedanken ab: Zwar heißt es nach wie
vor, dass ein Vergehen vorliegt, wenn ein Spieler den