Page 20 - DFB-Schiedsrichterzeitung 01-2020
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aber eben nur die Gelbe Karte. Solche Feinheiten ver- Spieler durch die Sichtachse, sodass er sich nach rechts
langen vom Schiedsrichter, sein Stellungsspiel so ein- beugen muss, um die Situation in ihrem ganzen Ausmaß
zurichten, dass er solche Vorgänge ungestört verfolgen erfassen zu können (Foto 3c).
kann.
Offensichtlich misslingt ihm das, denn die Gelbe Karte,
Um es auf die Spitze zu treiben: Bei einer drohenden die er, ohne zu zögern – oder besser: ohne sich Zeit zu
Notbremsen-Situation sollte der Abwehrspieler in einem nehmen –, zeigt, ist dem Vorgang nicht angemessen:
Laufduell mit seinem Versuch, den Ball wegzuspitzeln, „Ein Spieler, der im Kampf um den Ball … von der Seite
bis in den Strafraum warten. Kommt es dann zu einem … mit einem oder beiden Beinen in einen Gegner über-
Foul, gibt es zwar einen Strafstoß, der eventuell nicht mäßig hart hineinspringt oder die Gesundheit des Geg-
genutzt wird, aber er muss nicht vom Platz. ners gefährdet, begeht ein grobes Foul“, heißt es in
Regel 12. Hier sind gleich beide Bedingungen erfüllt,
Denn außerhalb des Strafraums gilt die Dreifachbestra- sodass ein Feldverweis eindeutig angebracht gewesen
fung für eine Notbremse ja weiter: direkter Freistoß – wäre.
„Rot“ – Sperre. Egal, ob der Spieler den Ball spielen
wollte oder nicht. Zwar waren nur noch Sekunden zu spielen und ein Feld-
verweis hätte sicher keinen Einfluss mehr auf den Spiel-
2 SV Meppen – 1. FC Kaiserslautern ausgang gehabt, aber das kann ja niemals ein Kriterium
(3. Liga, 8. Spieltag) für die Entscheidung des Schiedsrichters sein. Er hat
Noch eine Foul-Situation im Strafraum: Nach einer Fuß- hier mit dem vorschnellen Zücken der Gelben Karte eine
abwehr des Lauterer Torwarts Lennart Grill fliegt der ungeschriebene Schiedsrichter-Regel verletzt: Sicher-
Ball in hohem Bogen Richtung Elfmeterpunkt. Der Tor- heit geht vor Schnelligkeit!
wart versucht, mit drei, vier Schritten und einem Sprung
den herabfallenden Ball zu erwischen. Inzwischen ist Nichts hindert einen Unparteiischen daran, in dieser
aber der Meppener René Guder herangesprintet und Situation die Meinung seines Assistenten einzuholen,
köpft die Kugel Richtung Tor. Unmittelbar darauf wird bevor er die Persönliche Strafe ausspricht. Zumal der im
er von Grill umgesprungen (Fotos 2a und 2b). Auch Gegensatz zu ihm in diesem Fall eine völlig freie Sicht
wenn er noch versucht, die Hände wegzuziehen – der auf das Geschehen an der Seitenlinie hatte.
Körpereinsatz des Torwarts ist übertrieben, der Ball für
ihn nicht mehr spielbar. 4 Mainz 05 – VfL Wolfsburg (6. Spieltag)
Beim Spielstand von 0:1 läuft der Mainzer Trainer San-
Strafstoß und Verwarnung, das ist dafür die richtige dro Schwarz nach einer Freistoß-Entscheidung in der
Entscheidung. Denn es handelt sich nicht um eine Not- Nachspielzeit gestikulierend auf das Spielfeld (Foto 4a).
bremse, wie mancher vielleicht vermutet, weil es auf Als der Unparteiische bereits zur Brusttasche greift, um
den ersten Blick wie eine klare Torchance aussieht. den Trainer zu verwarnen, winkt dieser mehrmals ab
Allerdings wird diese vom Torwart mit dessen Aktion (Foto 4b). Daraufhin verweist Schiedsrichter Felix Brych
nicht vereitelt, denn Guder konnte den Ball frei aufs Tor mit zweimal „Gelb“ und der dazugehörigen Roten Karte
köpfen. Schwarz aus dem Innenraum.
Anders wäre es gewesen, wenn der Meppener den Ball Dieses Vorgehen entspricht den Vorgaben, die das IFAB
mit dem Fuß unter Kontrolle gebracht hätte und dann mit Beginn der laufenden Saison für solche Fälle in
von Grill angesprungen worden wäre. In diesem Fall Regel 12 („Teamoffizielle“, Unterpunkt Verwarnungen)
hätte der Schiedsrichter entscheiden müssen, ob der gemacht hat: „Protestieren durch Worte oder Handlun-
Torwart zum Ball wollte („Gelb“) oder nicht („Rot“). gen“, hier das Laufen auf das Spielfeld mit entsprechen-
der Gestik (erste Gelbe Karte), sowie „eindeutig respekt-
3 1. FC Magdeburg – MSV Duisburg lose Gesten gegenüber einem oder mehreren
(3. Liga, 8. Spieltag) Spieloffiziellen“, hier das Abwinken gegenüber dem
In diesem Spiel gab es auch ein „Hineinspringen“, aller- Schiedsrichter (zweite Gelbe Karte).
dings mit umgekehrter Anordnung der Gliedmaßen.
Mit seinem Verhalten ließ der Trainer dem Schiedsrich-
Spielstand 1:1, es läuft die vierte Minute der Nachspiel- ter keine Chance auf ein Gespräch. Das wäre nur mög-
zeit. Da grätscht der Magdeburger Dominik Ernst weit lich gewesen, wenn er das Spielfeld „in respektvoller,
in der Hälfte des Gegners mit hoher Intensität seitlich nicht konfrontativer Weise“ (Regeltext) betreten hätte.
in den Duisburger Moritz Stoppelkamp hinein (Foto 3a). Dann wäre es wahrscheinlich bei einer Ermahnung
Er trifft mit dem linken „Nachziehbein“ seinen Gegen- geblieben.
spieler so heftig, dass der Duisburger ein kleines Stück
durch die Luft fliegt und äußerst unsanft auf der Beton(!)- Am anderen Ende der Sanktionsskala droht der Feldver-
Umrandung des Spielfelds landet (Foto 3b). Zugleich weis bei „Betreten des Spielfelds, um einen Spieloffizi-
erwischt Ernst mit seinem „Grätschbein“ Stoppelkamp ellen zur Rede zu stellen …“ Das wäre sicherlich gege-
mit offener Sohle am linken Fuß. ben gewesen, wenn Schwarz seinen Lauf Richtung
Schiedsrichter nicht abgebrochen hätte.
Der Schiedsrichter befindet sich eigentlich in einer guten
Position, circa 15 Meter vom Geschehen entfernt. Aller- Auch an dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewie-
dings läuft ihm im Moment des Fouls ein Duisburger sen, und zwar nicht nur für die Profi-Ligen, sondern für