Page 5 - DFB-Schiedsrichterzeitung 01-2020
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elix Brych schaut in die Kamera: „Schiedsrichter ste- gegen Schiedsrichter geschrieben und zusammen mit TE X T
hen zusammen.“ Marco Fritz ergänzt: „Egal in wel- dem Verband deutschlandweit Schiedsrichter und Tobias Altehenger
F cher Klasse.“ Und Robert Schröder stellt klar: „Gewalt Schiedsrichter-Funktionäre befragt. Die Wichtigkeit von
hat auf dem Fußballplatz nichts verloren.“ Drei klare Aus- Gewaltprävention beschreibt sie so: „Ein Schiedsrichter
sagen, die am Anfang eines knapp zweiminütigen Videos kann auf dem Platz nur sicher im Auftreten sein, wenn
stehen, in dem sich die Elite-Schiedsrichter des DFB mit er auch sicher im Sinne von ‚geschützt‘ ist. Gewalt im
ihren Kollegen im Amateurbereich solidarisieren. Eine Fußball heißt in den allermeisten Fällen: Gewalt am
Geste mit Symbolcharakter und eine des Respekts. „Wir Schiedsrichter.“ Trotzdem bestätigt auch ihre jüngste
sind alle eine Familie“, scheinen die Schiedsrichter sagen Studie erneut, was schon die Ergebnisse der allermeis-
zu wollen und: „Wir lassen uns den Fußball nicht kaputt ten vorangegangenen Studien der letzten Jahren gezeigt
machen.“ Oder, um es mit Deniz Aytekin zu sagen: „Die hatten: Die meisten Schiedsrichter sind laut eigener
Freude lassen wir uns von niemandem nehmen.“ Aussage nie oder nur selten selbst Opfer von Gewalt
geworden, auch die Gewalttaten insgesamt haben nicht
Der Anlass für das Video, das nicht etwa vom Verband zugenommen – weder in der Intensität noch in der Häu-
aufoktroyiert wurde, sondern aus dem Kreis der Schieds- figkeit.
richter selbst entstand, ist allerdings ein trauriger: Bei
einem Spiel der hessischen Kreisliga wird Schiedsrichter S TATI S TI K W I D E RS P R I C H T S TI M M U N G
Nils Czekala von einem Spieler per Faustschlag nieder-
gestreckt und bewusstlos geschlagen. Der 22-Jährige Thaya Vester weiß, dass sie damit der aktuellen Stim-
muss mit einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus mung im Schiedsrichterwesen zu widersprechen scheint,
geflogen werden. dennoch wirbt sie für Differenzierung: „Wir müssen
– übrigens auch gegenüber den Medien – immer wie-
Der Faustschlag gegen Czekala ist nur ein trauriger Höhe- der transportieren, dass diese wirklich grausamen
punkt einer regelrechten Gewaltspirale. Übergriffe auf Gewalttaten keine Normalität sind. Wir müssen uns, los-
Schiedsrichter. Einmal mehr. Der DFB weiß um den Ernst gelöst von den Vorfällen, immer die gesamte Saison
der Lage und hat in der Zwischenzeit deutlich signalisiert: anschauen – und auch ein Auge auf all die vielen Schieds-
Wir stehen hinter unseren Unparteiischen – egal wo und richter haben, denen nichts passiert.“
in welcher Liga. Der neue DFB-Präsident Fritz Keller schickte
einen Brief an alle deutschen Schiedsrichter und schrieb Schon vor dem Start der neuen Saison hatte der DFB
darin: „Die zahlreichen Gewalttaten, Respektlosigkeiten eine weitere Umfrage in Auftrag gegeben. Diesmal stand
und Übergriffe gegen Schiedsrichter auf den Amateur- die Frage im Mittelpunkt, welche Maßnahmen in den
plätzen schockieren auch uns, wir sind bestürzt, fassungs- Landesverbänden bereits existieren, um die Schieds-
los und betroffen.“ Dennoch, Jagdszenen aus den Kreis- richter im Amateurfußball zu schützen. Das Ergebnis
ligen im Land kursieren in diesen Wochen weiter als war dabei durchaus zweigeteilt: Rund die Hälfte der
Videoclips in den sozialen Netzwerken, teilweise in scho- befragten Landesverbände bietet schon speziell auf
ckierender Drastik. Die Folge: Schiedsrichter treten in den Schiedsrichter zugeschnittene Gewaltpräventionsmaß-
Streik, wie im Saarland, in Berlin oder zuletzt in Köln. nahmen an, in den anderen Verbänden gibt es solche
Maßnahmen noch nicht. Ebenfalls rund die Hälfte der
Die ehrenamtlichen Funktionäre in den Kreisen sind am befragten Landesverbände empfand das derzeitig ver-
Rande ihrer Belastungsgrenze. „Wir sind kein Freiwild“, fügbare Angebot als ausreichend.
sagt etwa der stellvertretende Vorsitzende des Kölner Die Tagung in
Schiedsrichterausschusses, Kabil Azizi, zum Streik sei- Für Ronny Zimmermann kommt dieses Ergebnis nicht Frankfurt/Main
ner Unparteiischen: „Das war ein Hilferuf.“ Inmitten die- überraschend. Der für die Schiedsrichter zuständige stand erstmals
ser schwierigen Lage trafen sich in Frankfurt/Main die DFB-Vizepräsident ist ebenfalls erschüttert über die unter der Leitung
Obleute der Landesverbände, um darüber zu beraten, Gewalttaten gegenüber Unparteiischen in der gesam- von Udo Penßler-
welche Maßnahmen nun ergriffen werden müssen. ten Bundesrepublik (siehe Interview). Zimmermann sagt Beyer, dem neuen
Vorsitzenden des
aber auch, dass es schon viele Angebote gebe: „Es würde DFB-Schiedsrichter-
Die Tagung der Obleute findet jedes Jahr statt. Norma- ausschusses.
lerweise geht es dabei um die verschiedensten Fragen
aus dem täglichen Geschäft: Welche Neuigkeiten gibt
es aus den Bereichen Junioren und Frauen? Wie gehen
die Bestrebungen für mehr Kinderschutz voran? Wie
laufen aktuelle Werbemaßnahmen und das Schiedsrich-
ter-Patensystem? Dieses Mal allerdings zieht sich das
Thema Gewalt gegen Schiedsrichter wie ein roter Faden
durch die Tagung. Zu frisch sind die jüngsten Vorkomm-
nisse, zu präsent die Bilder und Schlagzeilen in den Köp-
fen der Obleute. Ihnen ist anzumerken, dass sie mit aller
Macht Lösungen erarbeiten wollen.
Die wissenschaftliche Grundlage für ihre Beratungen
kommt von Thaya Vester. Die Kriminologin von der Uni
Tübingen ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Fair Play
& Gewaltprävention im DFB, hat ein Buch über Gewalt