Page 17 - DFB-Schiedsrichterzeitung 03-2020
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Etwas Fingerspitzengefühl sollten die Referees wohl- Ein solches Szenario erfuhr Michael Eberwein beim
gemerkt bei Spielen der ganz jungen Nachwuchskicker Zweitligaspiel von Holstein Kiel gegen den VfL Bochum.
zeigen. Dort stellt sich der 16-jährige Schiedsrichter Als er sich neben dem eigenen Tor auf einen möglichen
Moritz Lingner in seiner Rolle als Unparteiischer häufig Einsatz als Auswechselspieler vorbereitete, kam ein
die Frage: „Bin ich Pädagoge oder Schiedsrichter?“ Das ungenauer Torschuss in seine Nähe. In der Annahme,
Talent aus dem Fußballkreis Cuxhaven berichtet dazu: der Ball würde ins Toraus gehen, stoppte der Kieler
„Nicht selten passiert es in Begegnungen der unteren Spieler das Leder in seinem Strafraum, kurz vor der Tor-
Junioren-Mannschaften, dass einer der Auswechselspie- linie. Regeltechnisch korrekt gab Schiedsrichter Timo
ler plötzlich auf den Platz rennt und gegen den Ball tritt.“ Gerach daraufhin „Gelb“ gegen Eberwein und den Straf-
In solchen Momenten sieht der Unparteiische seine Auf- stoß.
gabe jedoch eher als Helfer des Fußballs, erklärt den
Kindern, was sie falsch gemacht haben, und belässt es Die erste Gelbe Karte für einen Teamoffiziellen in der
bei einer Ermahnung. Bundesliga erhielt Robin Dutt vom VfL Bochum. Nach
einer knappen 0:1-Niederlage gegen den Hamburger SV
Wesentlich entschiedener reagiert Moritz Lingner aller- war der Zweitligatrainer auf das Spielfeld gestürmt und
dings auch in diesen Spielklassen, wenn es zu unange- hatte heftig gestikulierend auf Schiedsrichter Christian
messenen Eingriffen seitens der Trainer oder Betreuer Dingert eingeredet. Der jedoch hörte nur kurz zu, zog
kommt. „Hier fordere ich die Mannschaftsoffiziellen die Gelbe Karte und schickte den Trainer danach weg.
zunächst auf, sich zurückzuhalten. Geschieht das nicht, Der „Kicker“ berichtete: „Emotionaler Dutt nach Gelb:
dann greife ich zu den vorgegebenen Sanktionen und ‚Das ist nicht mein Sport!‘“ Dabei hatte der FIFA-Referee
in letzter Konsequenz folgen der Verweis vom Sportge- nur das umgesetzt, was vom IFAB wenige Monate zuvor
lände sowie die Meldung in dem Spielbericht“, sagt der beschlossen worden war.
junge Unparteiische. Allerdings hätten sich die vom DFB
vorgeschlagenen „Elternzonen“ bewährt, bei denen von In letzter Konsequenz bleibt es dem Schiedsrichter vor-
den Zuschauern ein Abstand von mindestens 15 Metern behalten, bei schweren Vergehen den Feldverweis auch
vom Spielfeldrand gefordert wird. gegen Teamoffizielle und Auswechselspieler auszuspre-
chen. Besonders bei Provokationen in der Schlussphase
Für die Spiele der älteren Junioren- und der Senioren- eines Spiels muss jeder Unparteiische konsequent vor-
Mannschaften geben die Spielregeln dem Unparteii- gehen. So muss ein Trainer mit einer Roten Karte bestraft
schen bei Eingriffen von der Bank einige festgelegte werden, wenn er zum Beispiel einen Einwurf für den
Sanktionen vor. Deutlich wird im Regeltext zum Beispiel, Gegner dadurch verzögert, dass er den Ball in seiner
dass eine Verwarnung immer dann ausgesprochen wer- Coaching-Zone mit einem Tritt weit wegspielt.
den muss, wenn von den Teamoffiziellen mit Worten
und Handlungen gegen Entscheidungen des Schieds- Zudem darf der Unparteiische auf keinen Fall dulden,
richters heftig protestiert wird. Dann muss der Unpar- dass Verantwortliche der Mannschaften andere am Spiel
teiische im Rahmen seiner Kompetenz als Spielleiter beteiligte Kinder oder Erwachsene aggressiv beschimp-
auch mit eindeutiger Körpersprache und sicherem Auf- fen. Vor allem wenn es zu Beleidigungen oder Tätlich-
treten die notwendigen Grenzen setzen. keiten gegen den Schiedsrichter kommt, muss den
fehlbaren Funktionären sofort die Rote Karte gezeigt
Lässt sich bei Beleidigungen auf der Auswechselbank werden.
der Verursacher nicht eindeutig festlegen, wird die Dis-
ziplinarmaßnahme entsprechend dem Regeltext gegen Besonders in den anfangs erwähnten Spielen der unte-
den verantwortlichen Trainer dieser Mannschaft in der ren Junioren-Mannschaften kommt es immer wieder
Technischen Zone ausgesprochen. Die Entscheidungs- zu solchen Vorfällen, bei denen gerade jüngere
gewalt des Schiedsrichters gilt auch hier vom Betreten Schiedsrichter überfordert sind. Hier ist es notwendig,
des Spielfelds zur Platzkontrolle bis zum Verlassen. dass sie durch Schiedsrichter-Paten unterstützt wer-
den. In jedem Fall muss der Schiedsrichter bei solchen
AU S WE C H SE L SP I E L E R Vorfällen noch am Spieltag die Verbandsfunktionäre
V E R U RS AC H T S TR A F S T O S S über das Geschehen informieren. Sie sind seine Ver-
trauensleute und können auf anschließende Vorwürfe
Bei der Definition des Begriffs „Teamoffizielle“ heißt es gegen ihn nur dann reagieren, wenn sie aus erster Hand
in Regel 3 unter „Zusätzliche Personen auf dem Spiel- und aus der Sicht des Unparteiischen dazu informiert
feld“ unter anderem: „Der Trainer und sonstige Offizi- werden.
elle, die auf der Teamliste aufgeführt sind, sind Team-
offizielle. (...) Wenn ein Teamoffizieller das Spielfeld Im DFB-Lehrbrief Nr. 91 wird das Thema „Eingriffe von
betritt, muss der Schiedsrichter das Spiel nur unterbre- der Bank – Mannschaftsoffizielle und Auswechselspie-
chen, wenn eine solche Person in das Spiel eingreift.“ ler“ ausführlich behandelt. Die Verfasser gehen dabei
Anschließend muss er sie vom Spielfeld schicken. Erfolgt auf die dazu relevanten Grundlagen in den Regeln 3 und
die Aktion im Spielverlauf und auf dem Spielfeld, gibt 12 ein. Vor allem der Ablauf des Spielerwechsels wie
es als Spielstrafe einen direkten Freistoß, geschieht dies auch die Probleme bei Undiszipliniertheiten werden
im eigenen Strafraum, kommt es sogar zum Strafstoß. dargestellt. Den Unparteiischen wird am Beispiel von
Das Regelwerk beinhaltet damit Sanktionen, die zugleich Rollenspielen, Video-Analysen und Fragebögen aufge-
für Auswechselspieler und ausgewechselte Spieler zeigt, was sie bezüglich der aktuellen Bestimmungen
gelten. beachten müssen.