Page 5 - DFB-Schiedsrichterzeitung 03-2020
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          Bundesliga-Schiedsrichter, DFB-Lehrwart, TV-Experte,

            Beobachter-Chef, Mitglied im DFB-Schiedsrichter ausschuss,

          internationaler Beobachter: Eugen Strigel hat in seiner
            Karriere ganz viele Höhepunkte genießen dürfen, aber auch

          schwere Zeiten durchmachen müssen. Am Ende dieser

            Saison ist für den 70-Jährigen Schluss.




                m den Menschen Eugen Strigel beschreiben zu   Schreibtisch wird der Computerbildschirm von mehre-  TE X T
                können, lohnt sich ein Blick in seinen Terminka-  ren Papierstapeln, bestehend aus Beobachtungsbögen,   Georg Schalk
         U lender. Mittwoch Abflug nach London; Donners-  Schriftstücken und Stadionheften, eingerahmt. Der Gast
          tagabend  Schiedsrichter-Beobachter  beim  Europa-  steht mitten in einem Eldorado aus Fundstücken aus
          League-Spiel FC Arsenal gegen Olympiakos Piräus;   der großen Fußballwelt, bei denen jedem Fußballinte-
          Freitag um 2 Uhr im Hotel, bis 4.30 Uhr den Bogen   ressierten das Herz aufgeht.
          geschrieben, um 4.45 Uhr Abfahrt zum Flughafen und
          Rückflug nach Deutschland. Um 12 Uhr zu Hause im   Doch auch eine große Fußballwelt war einmal ganz klein.
          südpfälzischen Rheinzabern; ein wenig schlafen, dann   Auf die Idee, bei einem Schiedsrichter-Neulingskurs
          abends als Beobachter zum Zweitliga-Spiel nach Karls-  mitzumachen, kam Eugen Strigel eher zufällig. „Ein
          ruhe. Samstag Fahrt mit dem Zug nach Köln; Samstag-  Freund wollte daran teilnehmen, hatte aber im Gegen-
          nachmittag bei den Video-Assistenten im Videocenter   satz zu mir noch kein Auto. Als er mich fragte, ob ich ihn
          des DFB. Samstagabend übernachten im Hotel in Köln;   dorthin fahren könnte, antwortete ich ihm: ‚Ja, aber
          am Sonntag erneut im Videocenter. Am Abend zurück   wenn ich schon dabei bin, dann mache ich auch mit‘“,
          mit dem Zug in die Heimat. Montag um 9 Uhr Telefon-  erzählt Strigel. Das war 1968 im württembergischen
          konferenz mit den Verantwortlichen der DFB-Schieds-  Balingen. Am Ende des Kurses hatte Strigel die beste
          richter-Führung; nachmittags Bogen und Berichte vom   Prüfung geschrieben. Der Schiedsrichterei blieb er bis
          Wochenende schreiben. Dienstagabend ein weiteres   heute treu. Sein Freund Gerd hörte dagegen schon nach
          Mal nach Köln zum ersten Teil des DFB-Pokal-Viertel-  einem Jahr wieder auf zu pfeifen.
          finales, am frühen Mittwochmorgen zurück.
                                                      Strigels erstes Spiel war bei den A-Junioren, Frommern
          Man könnte an dieser Stelle seitenweise so weiterma-  gegen Obernheim (bei Balingen). Wie es lief? „Ich weiß
          chen. Die wahllos herausgegriffene Beschreibung einer   es nicht mehr. Das ging wie ein Film an mir vorbei; ich
          Woche im Leben von Eugen Strigel verrät drei Dinge.   war zu sehr fokussiert.“ Betreut wurde der junge Unpar-
          Erstens: „Wenn ich mich einer Sache verschrieben habe,   teiische von seinem damaligen Obmann und Förderer   Eugen Strigel zu
          dann ganz oder gar nicht“, betont der 70-Jährige. Das   Horst Walz (weder verwandt noch verschwägert mit den   seiner Zeit als aktiver
          stimmt in der Tat. Zweitens: An der Sache „Fußball-  Gebrüdern Walz aus Waiblingen, die es später bis in die   Schiedsrichter. Die
                                                                                                   weißen Haare waren
          Schiedsrichterei“ hat er seit inzwischen mehr als fünf   Bundesliga schafften).          schon damals sein
          Jahrzehnten enorm viel Spaß und Freude gefunden.                                         Markenzeichen.
          Drittens: Wer glaubt, bei „Pensionär“ Strigel kurzfristig
          einfach mal einen Termin zu bekommen, der irrt. „Das
          ist bei mir manchmal gar nicht so einfach“, sagt er am
          Telefon, während im Hintergrund Zugbremsen quiet-
          schen und das Piepsen einer schließenden Waggontür
          zu hören ist. Eugen Strigel ist mal wieder (viel) unter-
          wegs. Gerade wartet er am Bahnhof auf seinen Anschluss-
          zug.

          Nach mehrmaligem Anlauf hat es endlich geklappt. Wir
          sind in Rheinzabern im Hause Strigel angekommen. Der
          langjährige DFB-Schiedsrichter und -Funktionär öffnet
          sein Herz und sein großes Archiv. Ein Blick in sein Büro
          im ersten Stock unterstreicht die Aussage, die er kurz
          zuvor am Tisch im Wintergarten getroffen hat. „Die
          Schiedsrichterei hat bei mir einen sehr hohen Stellen-
          wert. Alles andere hat sich ihr untergeordnet, vor allem
          auch Privates“, sagt der Mann mit den schlohweißen
          Haaren, der dennoch nicht wie 70 aussieht. In „seinem“
          Zimmer hängen an den Wänden unzählige Wimpel, Bil-
          der, Fotomontagen und Akkreditierungsbänder. Auf dem
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