Page 8 - DFB-Schiedsrichterzeitung 03-2020
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um die Schiedsrichter einen einheitlichen Standard zu hausaufenthalt und Bypass-Operation kehrte beim DFB-
lehren. Lehrwart schnell wieder der Alltag ein. Dennoch behielt
er dieses einschneidende Ereignis tief im Gedächtnis.
Mehr als fünf Jahrzehnte Schiedsrichter, und das auf „Ich habe gesehen, was wichtig ist, und zwar nur eines:
dieser hohen Ebene – eine lange und sehr erfolgreiche deine Gesundheit und die deiner Mitmenschen.“
Zeit. Fußball verbindet. Die Begegnungen mit ehema-
ligen Spielern und Schiedsrichtern machen ihm Spaß, Nach seiner Zeit als Unparteiischer und Funktionär freut
die Arbeit mit den 20- bis 25-jährigen Referees hält ihn sich die „Schiedsrichter-Legende“ aufs Fahrrad- und Motor-
jung. Aber nicht alles war in den Jahren und Jahrzehn- radfahren und vor allem aufs Skilaufen mit seiner Frau.
ten gut und schön, nicht alles vergnügungssteuerpflich- „Natürlich vorausgesetzt, dass ich gesund bleibe. Die Kin-
tig. Da gab es auch etliche Tiefpunkte. „Vor allem der der und Enkel wohnen leider sehr weit entfernt. Aber viel-
Manipulationsskandal war wie ein schlechter Traum, aus leicht bleibt für Besuche dann doch etwas mehr Zeit.“
dem man am liebsten schnell erwachen will. Aber es
war Realität“, sagt Strigel und sein Gesichtsausdruck Seine Maxime über all die Jahre lautete: Du musst mit
wird ernst. Keiner konnte sich vorstellen, dass so etwas jedem so umgehen, wie du selbst behandelt werden
bei den deutschen Schiedsrichtern passieren konnte, willst. „Bei allem, was ich auch beruflich und im Schieds-
am wenigsten die DFB-Verantwortlichen. richterbereich verlangt habe, habe ich mich immer
gefragt, wie ich reagieren würde, wenn ich in der Haut
Er selbst hatte schon Riesenglück, dass er einen Herz- meines Gegenüber stecken würde“, sagt Strigel. Sein
stillstand vor gut zehn Jahren überstand. Eugen Strigels Leitspruch war auch immer: Da sind zwei Mannschaften,
Glück und Schutzengel zugleich war ein Kardiologe. die Fußball spielen wollen. Dazu braucht es einen
Nach einem DFB-Stützpunkt in Frankfurt am Main ging Schiedsrichter. Ein Schiedsrichter, der zwei Mannschaf-
der Professor auf dem Weg zum Fernbahnhof wenige ten braucht, um sich selbst darzustellen, ist fehl am
Meter hinter ihm und griff sofort professionell ein, nach- Platz. Und das Menschliche darf neben der notwendi-
dem Strigel zusammengebrochen war. Nach Kranken- gen Leistung nicht vergessen werden.
Steckbrief
Herkunft: geboren in Meßstetten (Kreis Balingen), aufgewach- Funktionärstätigkeit: Lehrwart schon ab 1976, dann Verbands-
sen in Balingen (Württemberg). lehrwart in Württemberg von 1984 bis 1994. Verbands-Schieds-
richter-Obmann in Württemberg in den Jahren 1994 und 1995.
Alter: 70. Von 1995 bis 2010 Lehrwart des Deutschen Fußball-Bundes
(DFB); ab 1998 stellvertretender DFB-Schiedsrichter-Obmann
Familienstand: verheiratet mit Sonja Fischer-Strigel; zwei Töch- unter Volker Roth. Ab 2010 weiterhin Mitglied des Schiedsrich-
ter, die mit ihren Familien in England und den USA leben, je zwei ter-Ausschusses bzw. der Schiedsrichter-Kommission, zuständig
Enkelkinder. für das Beobachtungswesen. Bis Saisonende 2020 bearbeitet er
gemeinsam mit Jörg Toschek den Beobachtungsbereich. Dabei
Wohnort: Rheinzabern (Südpfalz), 20 Kilometer von Karlsruhe teilt er wöchentlich die Beobachter für die Spiele der Bundes-
entfernt. liga, 2. Bundesliga und 3. Liga ein, wertet die Bögen aus und
schaltet sie anschließend für die Aktiven im System frei. Beob-
Beruf: Diplom-Verwaltungsbetriebswirt. Beschäftigt war er bei achter in der Bundesliga und im internationalen Bereich ist er
der Deutschen Bahn, zunächst unter anderem als Bahnhofsvor- seit 1995.
steher in Tuttlingen und Horb am Neckar. Bis zu seiner Pensio-
nierung Leiter der Betriebszentrale Karlsruhe.
Schiedsrichterprüfung: 1968 in Balingen.
Schiedsrichter-Gruppe: zunächst Balingen, dann Tuttlingen,
später und derzeit immer noch Gruppe Nördlicher Schwarzwald,
obwohl schon seit mehr als 20 Jahren in der Pfalz wohnhaft (die
Wechsel waren beruflich bedingt).
Schiedsrichter-Laufbahn: Eugen Strigel pfiff zwischen 1985 und
1995 70 Bundesliga-Spiele und 57 Partien in der 2. Liga. Höhe-
punkte waren das Deutsche Pokalendspiel 1995 in Berlin zwi-
schen Borussia Mönchengladbach und dem VfL Wolfsburg sowie
als Assistent das Endspiel um den Europapokal der Landesmeis-
ter (heute Champions League) 1989 zwischen dem AC Mailand
und Steaua Bukarest vor 100.000 Zuschauern in Barcelona, das In der Bundesliga brachte es Eugen Strigel (hier mit Lothar Matthäus und
Karl-Heinz Tritschler leitete. Bruno Labbadia) auf 70 Einsätze als Schiedsrichter.