Page 9 - DFB-Schiedsrichterzeitung 01-2020
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          Zwischen zwei Einsätzen als Video Assistant Referee trafen

          Tobias Altehenger (Text) und Patric Fouad (Fotos) Bibiana

          Steinhaus in der Lobby eines Kölner Hotels zum Kamin-
          gespräch. Über die ersten Spiele als Schiedsrichterin, die

          Gründe für ihren Abschied, ihren Einfluss auf Frauen im

            Fußball und ihre Zukunft.




                  enn ich es richtig nachgelesen habe, dann hast   Wenn du so etwas siehst, denkst du dann „Ach, cool“?
                  du mit 16 Jahren angefangen zu pfeifen, das
         W müsste dann Mitte der 90er gewesen sein ...  Steinhaus: Ja. Weil es ein großer Schritt in der gesell-
                                                      schaftlichen Anerkennung ist. Das bewegt mich, das
          Bibiana Steinhaus: ... 1995, genau ...      begeistert mich. Dass wir eben auch durch bauliche
                                                      Veränderungen zeigen, dass unser Fußball divers und
          Und vorher selbst gespielt beim SV Bad Lauterberg?  vielfältig ist, und wir das nicht nur zulassen, sondern
                                                      sogar Rahmenbedingungen dafür schaffen. Das finde
          Steinhaus: Auch korrekt, hey, sehr gut! (lacht)  ich riesig.

          1995, das war eine Zeit, zu der es noch deutlich weniger   Wie waren deine Anfangsjahre als Schiedsrichterin, ging
          Schiedsrichterinnen gab als heute, wie haben denn die   es da immer nur bergauf oder gab es auch ein Spiel, nach
          Trainer, Platzwarte und Jugendleiter reagiert, als du in den   dem du gesagt hast: „Jetzt könnt ihr mich alle mal, jetzt
          Dörfern von Niedersachsen zu deinen ersten Spielen   lass ich’s bleiben“?
          gekommen bist?
                                                      Steinhaus: Eins?  (lacht) Klar,  es gab  Rückschläge.
          Steinhaus: Eigentlich immer sehr positiv. Ich kann mich   Und es gab auch Momente im Schiedsrichterleben,
          in meiner ganzen Laufbahn kaum an irgendeine Stelle   in denen man sich fragt: Warum mache ich das eigent-
          erinnern, an der es jetzt spontan Vorbehalte gegeben   lich? Und warum setze ich mich diesen Situationen
          hätte. Eher im Gegenteil. Alle Beteiligten haben dann   aus? Man kann, denke ich, für alle Schiedsrichter
          eher so etwas gesagt wie: „Ach Mensch, das ist ja mal   sagen, dass wir ja alle einen hehren Anspruch haben.
          was anderes. Das ist ja ganz nett.“ Und wenn dann die   Wir wollen ja alle jedes Spiel nach bestem Wissen
          Leistung gestimmt hat, dann hat es sich sogar ins Gegen-  und Gewissen und nach allen Regeln des Fair Play
          teil verkehrt. Dann hieß es sogar: „Sollten mehr Frauen   positiv begleiten. Und wenn das mal nicht gelingt –
          machen!“ Außerdem waren auch alle immer extrem auf-  aus welchen  Gründen auch immer –, dann stört uns
          merksam und zuvorkommend. Wenn es zum Beispiel um   das alle. Das muss ja gar nicht immer an uns liegen,
          eine eigene Umkleide ging, das hatten die Verantwort-  aber manchmal gibt es natürlich diese Tage, da wäre
          lichen von sich aus auf dem Schirm und haben immer   man besser im Bett geblieben. Dann ist es aber die
          alles möglich gemacht, um mich willkommen zu heißen.   Kunst, sich wieder zu motivieren und wieder rauszu-
                                                      gehen. Aus den verrutschten Spielen die Energie zu
          Ich kenne das selbst aus Spielen mit weiblichen Assisten­  ziehen, sich selbst zu sagen, dass man es besser kann,
          ten, da schallt dir quasi schon am Eingang zum Platz ent­  und sich das dann auch im nächsten Spiel wieder zu
          gegen: „Wir haben aber nur eine Kabine!“      beweisen.

          Steinhaus: Aber das ist ja immerhin schon mal ein ers-  Konntest du solche Tage schnell abhaken?
          ter Schritt. Dass die Menschen am Platz dahingehend
          aufmerksam sind, dass sie merken, aha, da kommen   Steinhaus: Das Gute ist: Mehr als eine Woche Zeit hat
          verschiedene Geschlechter, wir haben dieses Kabinen-  man ja nicht. Am nächsten Wochenende kommt ja wie-
          problem, kommt ihr damit klar? Wie kann die Lösung   der das nächste Spiel. Wichtig ist, dass man sich mit
          aussehen? Alleine schon die Wahrnehmung, dass es   seinen Fehlern auseinandersetzt und fragt, wie sie ent-
          eventuell zu einem Problem kommen könnte, ist ja schon   standen sind, wie man sie in Zukunft vermeiden kann
          großartig. Heutzutage werden übrigens fast alle Stadien,   und wer einem auch dabei helfen kann. Ich glaube, das
          die neu geplant werden, mit mehreren Optionen kon-  macht den Unterschied von einem guten zu einem sehr
          zipiert – eben genau für den Fall, dass ein Schiedsrich-  guten Schiedsrichter aus.
          terteam oder auch ein Trainerteam zwei Kabinen braucht.
          Eins von vielen Beispielen ist Union Berlin, da gibt es   Welche Rolle spielt Ehrgeiz dabei? Du hast mal in einem
          heute schon zwei Eingänge zur Schiedsrichterkabine.   Interview gesagt, dass du ein sehr ehrgeiziger Mensch
          Über dem einen steht „Schiedsrichterin“ und über dem   bist …
          anderen „Schiedsrichter“. Die Kabine ist dann mit einer
          Zwischentür getrennt.                       Steinhaus: Wo führt denn das jetzt hin? (lacht)
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