Page 10 - DFB-Schiedsrichterzeitung 01-2020
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... gab es mal den Moment, an dem du entschieden hast, aus den verschiedensten Gründen auch wahnsinnig
dass du der Schiedsrichterei alles unterordnest? Arbeit, schnell gehen. Es liegt oft nicht in der eigenen Hand
Privatleben? Oder konntest du das immer mit der Schieds und dann ist ein Sturz sehr tief und der Aufprall schmerz-
richterei verbinden? haft. Und dann noch einen Plan zu haben, was denn
außerhalb der Sportkarriere noch gehen kann, das halte
ich für enorm wichtig. Das heißt übrigens nicht, an Plan A
nicht mit hundert Prozent ranzugehen.
Dass ich dich nach Tipps für Nach wuchs schieds rich
ter*innen frage, hat natürlich einen Grund: Du bist ein
großes Vorbild, insbesondere für Frauen und Mädchen.
Die Ikone der Emanzipation auf dem Fußballplatz zu sein,
hat dir aber früher jedenfalls nie so behagt …
Steinhaus: Das ist auch immer noch so. (lacht)
Warum fremdelst du mit dieser Rolle?
Steinhaus: Weil es der Aufgabe nicht gerecht wird. Ich
bin immer angetreten, um Fußballspiele zu leiten. Nie,
um die erste Frau zu sein, die irgendwas macht. Es war
mir wichtig, immer die Rahmenparameter zu erfüllen,
die an jeden Schiedsrichter gestellt werden. Und zwar
unabhängig von Geschlecht, Größe oder Herkunft. Das
wollte ich in den Vordergrund rücken. Wir wollen doch
letztlich alle eine gute Schiedsrichterleistung sehen –
und zwar unabhängig davon, wer sie erbringt. Da kön-
nen wir vielfältig sein und das sollten wir auch.
Trotzdem hast du natürlich insbesondere für viele Schieds
richterinnen diese Strahlkraft entwickelt und bist zu einem
absoluten Vorbild geworden. Kannst du dich denn damit
arrangieren?
Steinhaus: Das ist natürlich ein riesiges Kompliment,
keine Frage. Und damit kann und mag ich mich auch
„Wir Schiedsrichter haben einen arrangieren. Wenn ich ein Beispiel dafür bin, dass bei
uns im Fußball jeder seinen Weg machen und jeder seine
hehren Anspruch.“ Rolle finden kann, dann bin ich das gerne und finde das
eine großartige Botschaft. Dafür möchte ich auch ste-
hen.
Steinhaus: (überlegt) Ja, ich bin sehr ehrgeizig. In allem, Was würdest du dir denn wünschen für deine Nachfolge
was ich tue. Und als Schiedsrichterin war es für meine rinnen? 2020 haben wir 50 Jahre Frauenfußball im DFB
Entwicklung natürlich auch sehr gut, einen gesunden gefeiert, was müsste aus deiner Sicht passieren, damit
– einen gesunden! – Ehrgeiz mitzubringen. Aber: Mein noch mehr Mädchen und Frauen deinem Beispiel folgen?
Leben war schon immer auf verschiedenen Säulen auf-
gebaut. Schiedsrichterei, Berufsleben, Privatleben, Fami- Steinhaus: Ich wünsche mir ganz konkret, dass es deut-
lie … und auf einer Säule alleine steht sich’s nicht gut. sche Schiedsrichterinnen geben wird, die bei der WM
Da steht das Fundament nicht. Und dass ich auf verschie- 2027 im eigenen Land auf dem Platz stehen. Ich wün-
denen Säulen gestanden habe, das habe ich genossen. sche mir, dass Mädchen und junge Frauen, die sich für
Diese Balance war mir wichtig und das ist mir gut gelun- den Fußball entscheiden, den Weg in dieser Organisa-
gen. Denn wenn man nur auf einer Säule steht und die tion gehen können, den sie wollen. Ganz egal, ob als
dann wegbricht – dann ist es schmerzhaft. Glaube ich. Spielerin, als Schiedsrichterin, Trainerin oder in einer
Führungsfunktion in den Verbandsorganen. Ich glaube,
Wäre das auch ein Tipp, den du jungen, ambitionierten dass unser Fußball diese Vielfalt gut ertragen kann und
Schiedsrichter*innen geben würdest? Sich nicht nur darauf dass diese Vielfalt ihn auch bereichern wird.
zu fokussieren?
Im BundesligaFußball hast du natürlich maßgeblich zu
Steinhaus: Natürlich braucht man Durchhaltevermögen dieser Vielfalt beigetragen. Als das losging, erst in der
und Biss, auch den Fokus auf das, was man will. Für mich FrauenBundesliga, dann in der 2. Liga, als Vierte Offizi
persönlich war es in meiner Entwicklung aber wahnsin- elle – da hatte ich immer das Gefühl, der DFB schickt dich
nig wichtig, dass ich da breiter aufgestellt bin. Eine zu den Problemkindern unter den Trainern. Hattest du das
Sportkarriere endet irgendwann. Immer. Und das kann auch?