Page 10 - DFB-Schiedsrichterzeitung 01-2020
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10        TITE LTH E M A
                D F B-S CH I E DS R I CH T E R -Z E IT U N G  01 | 2 0 21



                        ... gab es mal den Moment, an dem du entschieden hast,   aus den verschiedensten Gründen auch wahnsinnig
                        dass du der Schiedsrichterei alles unterordnest? Arbeit,   schnell gehen. Es liegt oft nicht in der eigenen Hand
                        Privatleben? Oder konntest du das immer mit der Schieds­  und dann ist ein Sturz sehr tief und der Aufprall schmerz-
                        richterei verbinden?                         haft. Und dann noch einen Plan zu haben, was denn
                                                                     außerhalb der Sportkarriere noch gehen kann, das halte
                                                                     ich für enorm wichtig. Das heißt übrigens nicht, an Plan A
                                                                     nicht mit hundert Prozent ranzugehen.

                                                                     Dass  ich  dich  nach  Tipps  für  Nach  wuchs  schieds  rich­
                                                                     ter*innen frage, hat natürlich einen Grund: Du bist ein
                                                                     großes Vorbild, insbesondere für Frauen und Mädchen.
                                                                     Die Ikone der Emanzipation auf dem Fußballplatz zu sein,
                                                                     hat dir aber früher jedenfalls nie so behagt …

                                                                     Steinhaus: Das ist auch immer noch so. (lacht)

                                                                     Warum fremdelst du mit dieser Rolle?

                                                                     Steinhaus: Weil es der Aufgabe nicht gerecht wird. Ich
                                                                     bin immer angetreten, um Fußballspiele zu leiten. Nie,
                                                                     um die erste Frau zu sein, die irgendwas macht. Es war
                                                                     mir wichtig, immer die Rahmenparameter zu erfüllen,
                                                                     die an jeden Schiedsrichter gestellt werden. Und zwar
                                                                     unabhängig von Geschlecht, Größe oder Herkunft. Das
                                                                     wollte ich in den Vordergrund rücken. Wir wollen doch
                                                                     letztlich alle eine gute Schiedsrichterleistung sehen –
                                                                     und zwar unabhängig davon, wer sie erbringt. Da kön-
                                                                     nen wir vielfältig sein und das sollten wir auch.

                                                                     Trotzdem hast du natürlich insbesondere für viele Schieds­
                                                                     richterinnen diese Strahlkraft entwickelt und bist zu einem
                                                                     absoluten Vorbild geworden. Kannst du dich denn damit
                                                                     arrangieren?

                                                                     Steinhaus: Das ist natürlich ein riesiges Kompliment,
                                                                     keine Frage. Und damit kann und mag ich mich auch
       „Wir Schiedsrichter haben einen                               arrangieren. Wenn ich ein Beispiel dafür bin, dass bei
                                                                     uns im Fußball jeder seinen Weg machen und jeder seine
       hehren Anspruch.“                                             Rolle finden kann, dann bin ich das gerne und finde das
                                                                     eine großartige Botschaft. Dafür möchte ich auch ste-
                                                                     hen.
                        Steinhaus: (überlegt) Ja, ich bin sehr ehrgeizig. In allem,   Was würdest du dir denn wünschen für deine Nachfolge­
                        was ich tue. Und als Schiedsrichterin war es für meine   rinnen? 2020 haben wir 50 Jahre Frauenfußball im DFB
                        Entwicklung natürlich auch sehr gut, einen gesunden   gefeiert, was müsste aus deiner Sicht passieren, damit
                        – einen gesunden! – Ehrgeiz mitzubringen. Aber: Mein   noch mehr Mädchen und Frauen deinem Beispiel folgen?
                        Leben war schon immer auf verschiedenen Säulen auf-
                        gebaut. Schiedsrichterei, Berufsleben, Privatleben, Fami-  Steinhaus: Ich wünsche mir ganz konkret, dass es deut-
                        lie … und auf einer Säule alleine steht sich’s nicht gut.   sche Schiedsrichterinnen geben wird, die bei der WM
                        Da steht das Fundament nicht. Und dass ich auf verschie-  2027 im eigenen Land auf dem Platz stehen. Ich wün-
                        denen Säulen gestanden habe, das habe ich genossen.   sche mir, dass Mädchen und junge Frauen, die sich für
                        Diese Balance war mir wichtig und das ist mir gut gelun-  den Fußball entscheiden, den Weg in dieser Organisa-
                        gen. Denn wenn man nur auf einer Säule steht und die   tion gehen können, den sie wollen. Ganz egal, ob als
                        dann wegbricht – dann ist es schmerzhaft. Glaube ich.  Spielerin, als Schiedsrichterin, Trainerin oder in einer
                                                                     Führungsfunktion in den Verbandsorganen. Ich glaube,
                        Wäre das auch ein Tipp, den du jungen, ambitionierten   dass unser Fußball diese Vielfalt gut ertragen kann und
                        Schiedsrichter*innen geben würdest? Sich nicht nur darauf   dass diese Vielfalt ihn auch bereichern wird.
                        zu fokussieren?
                                                                     Im Bundesliga­Fußball hast du natürlich maßgeblich zu
                        Steinhaus: Natürlich braucht man Durchhaltevermögen   dieser Vielfalt beigetragen. Als das losging, erst in der
                        und Biss, auch den Fokus auf das, was man will. Für mich   Frauen­Bundesliga, dann in der 2. Liga, als Vierte Offizi­
                        persönlich war es in meiner Entwicklung aber wahnsin-  elle – da hatte ich immer das Gefühl, der DFB schickt dich
                        nig wichtig, dass ich da breiter aufgestellt bin. Eine   zu den Problemkindern unter den Trainern. Hattest du das
                        Sportkarriere endet irgendwann. Immer. Und das kann   auch?
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