Page 19 - DFB-Schiedsrichter-Zeitung 2/2019
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Vordergrund spielen, müssten aber auch Mut zeigen,
wenn es erforderlich sei. Das sei bisweilen eine Grat-
wanderung: „Sie müssen lernen, zu spüren, wann ihr
Eingriff gefragt ist, weil ich als Schiedsrichter eine Situ-
ation nicht erfasst habe.“
Grundsätzlich verlasse er sich auf die Assistenten, stellt
Heller klar. „Ich winke sie nur herunter, wenn ich ganz
sicher bin, dass sie falschgelegen haben, einfach weil
ich es besser gesehen habe.“ Vorrang habe immer die
richtige Entscheidung. Gleichzeitig sei es wichtig, den
Assistenten zu vermitteln, dass sie Fehler machen dürf-
ten, „dass wir ein Team sind wie die Mannschaften auch
und dass es nicht schlimm ist, wenn ich mal eine Ent- Schieds richter
scheidung anders treffe als sie“. Mario Heller.
Von Bedeutung sei außerdem eine klare Absprache bei Auch wenn eine Persönliche Strafe in Betracht kommt,
der Aufgabenverteilung und hinsichtlich der Prioritäten, ist für Heller die Abstimmung im Team relevant: „Ent-
besonders in engen Spielsituationen. „Wenn es bei- weder in Form der verabredeten verdeckten Zeichen-
spielsweise an der Seitenlinie in der Nähe des Assisten- gebung – beispielsweise durch den Griff an die Brust-
ten zu einem Zweikampf kommt, ist es mir wichtiger, tasche bei einer Gelben Karte – oder indem das
dass der Assistent vor allem das Abseits im Blick hat und Knöpfchen auf der Funkfahne gedrückt wird.“
außerdem darauf achtet, ob der Ball im Spiel bleibt“,
erklärt Heller. „Denn ob da ein Foulspiel vorliegt, sehe Bei großen, spielrelevanten Entscheidungen wie Toren,
ich im Zweifelsfall selbst.“ Feldverweisen oder Strafstößen dagegen sei es oft bes-
ser, von Angesicht zu Angesicht miteinander zu spre-
Bei Spielleitungen ohne Headsets – die im Amateurfuß- chen, wenn Zweifel bestünden, selbst wenn es einen
ball immer noch die Regel sind – sei zudem die nonver- Moment länger dauere. „Jeder sieht dann: Die Entschei-
bale Kommunikation unerlässlich: „Es ist etwas aus der dung ist im Team getroffen worden.“ Gerade wenn die
Mode gekommen, aber ich bin in knappen Situationen, Gefahr bestehe, dass eine nonverbale Kommunikation
in denen weitergespielt wird, immer noch froh, wenn zu einem Missverständnis führe, sei das direkte Gespräch
vom Assistenten die freie Hand kommt, vor allem bei sinnvoll. „Das gilt bei spielrelevanten Entscheidungen
Zweikämpfen. Denn so kann ich mir sicher sein, dass er übrigens auch für den Fall, dass mit Headsets gearbei-
es wahrgenommen und bewertet hat, und das gibt mir tet wird“, meint Heller. „Der Informationsaustausch an
Sicherheit.“ der Seitenlinie ist besser und störungsfreier als über
Mikrofon und Kopfhörer, gerade wenn man von Spielern
umringt wird.“
Dass manche noch immer glauben, der direkte Dialog
mit dem Assistenten signalisiere eine Unsicherheit beim
Unparteiischen, lässt Heller nicht gelten, schon aus
eigenem Interesse: „Wenn es beispielsweise um eine
Notbremse geht und der Beobachter der Ansicht ist,
dass es unnötig war, das Gespräch mit dem Assistenten
zu suchen, zieht er mir vielleicht einen Zehntelpunkt ab.
Wenn ich aber auf das Gespräch verzichte und die fal-
sche Entscheidung treffe, sind gleich fünf Zehntel weg
und die Saison ist im Eimer.“
Einig sind sich Karl-Heinz Tritschler, Sascha Stegemann
und Mario Heller darin, dass das gegenseitige Feedback
in der Halbzeitpause und nach dem Spiel unerlässlich
ist. „Wir hatten ja keine Headsets, deshalb war es erst
recht wichtig, sich in der Kabine auszutauschen“, sagt
Tritschler. Für Stegemann gehört es „selbstverständlich
zu einer professionellen Spielleitung, die eigene Leis-
tung und die der anderen Teammitglieder offen und
ehrlich zu reflektieren“. Und Heller bekräftigt: „In der
Pause analysiert man zusammen das bisherige Spiel
und legt den Kurs für die zweite Hälfte fest, nach dem
Schlusspfiff gibt es eine gemeinsame Manöverkritik.“
Die Meinung der Assistenten, auch darin stimmen die
drei überein, sei dabei für den Schiedsrichter immer die
Bundesliga-Referee Sascha Stegemann. wichtigste.