Page 5 - DFB-Schiedsrichterzeitung 03-2019
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in fensterloser, recht kühler Raum im Kellerge- Um die kontinuierliche Aus- und Fortbildung von TE X TE
schoss der DFB-Zentrale an der Frankfurter Otto- Schiedsrichtern hatte sich seit Gründung des DFB im Lutz Lüttig
E Fleck-Schneise; auf fast deckenhohen Metallre- Jahr 1900 niemand so recht gekümmert. Selbst End- David Schmidt
galen lagern verschiedenfarbige Zeitschriftensammel- spiele um die deutsche Meisterschaft wurden von DFB- David Bittner
bände. Sie sind ein Teil des DFB-Archivs. Vorstandsmitgliedern in „Hut und Mantel“ geleitet, deren
Qualifikation sich in ebendiesem Amt erschöpfte. Man
Man sitzt an einem einfachen runden Holztisch, vor sich kann sich deshalb gut vorstellen, dass wohl nur der
einen Band der „Deutschen Schiedsrichter-Zeitung“ nachdrücklich anerzogene Respekt vor Amtsautoritäten
(DSZ), und liest: „November 1918. In einem Hinterstüb- so manchen Spieler davon abhielt, seinen Unmut über
chen einer kleinen Berliner Gastwirtschaft sitzen neun Entscheidungen kundzutun.
junge Männer. Wir wollen der Bedeutung wegen ihre
Namen festhalten: Carl Koppehel, Gottfried Muellen- Allgemein häuften sich in den zeitgenössischen Sport-
bach, Otto Saul, Wilhelm Schulz, Gustav Grünberg, Adolf fachblättern Beschwerden über die Regelauslegung
Lent, Karl Rethfeld, Hans Müller und Willi Döbelt. Sie oder die sachliche und fachliche Unkenntnis der Schieds-
nennen sich ,Schiedsrichter-Vereinigung im VBB‘.“ richter. Dies lag auch daran, dass es noch längst keine
einheitlichen Regeln gab. Die FIFA erkannte erst 1913
So schreibt es Chefredakteur Carl Koppehel 1943 in der den rein britischen International Football Association
DSZ, als er an ihre Gründungszeit 25 Jahre zuvor erin- Board (IFAB) als oberste Regelkommission an und trat
nert. ihm bei. Manche Spielregeln, aber vor allem deren Aus-
legung und Anwendung, wichen innerhalb des DFB und
Die Idee eines Mitteilungsblatts „für die Schiedsrichter seiner damals sehr eigenständigen Landesverbände
und die sonstigen Kräfte der Fußballbewegung“ kommt munter voneinander ab. Von einer Einheitlichkeit war
den Männern, weil sie sich sicher sind, dass der Fußball man noch weit entfernt, weshalb sich die Turbulenzen
nach dem gerade zu Ende gegangenen Ersten Welt- und Konfusionen des alltäglichen Lebens nicht selten
krieg auch durch die Heimkehr der Soldaten, die ihre auch auf den Fußballplätzen des Landes wiederfanden.
Freizeit durchaus gern mit dem Fußballspiel verbrach-
ten, einen enormen Aufschwung nehmen wird. Und in Dem sollte nun mithilfe der Schiedsrichter-Zeitung Ein-
der Tat kommt es so: Aus den 190.000 Mitgliedern des halt geboten werden. Der 28-jährige Carl Koppehel
Deutschen Fußball-Bundes im Jahr 1914 werden bis wurde „Schriftleiter“ des neuen Blatts und schrieb mit
1920 fast 500.000, fünf Jahre später sind es schon berechtigtem Stolz in seinem Geleitwort zur ersten Aus-
800.000. gabe: „In verhältnismäßig kurzer Zeit haben wir bei ener-
gischem Wollen den deutschen Schiedsrichtern ein
Es müssen dringend Schiedsrichter gefunden und aus- eigenes Organ geschaffen. Ein Sprachrohr aller ihrer
gebildet werden, um den Spielbetrieb zu sichern. Der Wünsche, ein Belehrungsblatt für die lernbegierigen 1919:
Vorstand des Verbandes Brandenburgischer Ballspiel- Jünger unserer Bewegung.“ Koppehels Premieren-
Ausgabe und ihr
vereine (VBB) mit dem späteren DFB-Präsidenten Felix Berliner Vorbild vom
Linnemann an der Spitze fördert die Idee Carl Koppehels Um die weitere Verbreitung zu November 1918.
und seiner Schiedsrichter-Freunde. So werden die Ver- befeuern, gab es auf der Titel-
eine der höchsten Spielklasse verpflichtet, 100 Exem- seite diesen Hinweis: „Abdruck
plare jeder Ausgabe der „Berliner Schiedsrichter-Zeitung“ aller Artikel erwünscht, aber nur
zu erwerben und an ihre Spieler und auch die Zuschauer mit genauer Quellenangabe
weiterzugeben; die 2. Liga muss 50 abnehmen und die gestattet.“
übrigen Klubs je zehn. Ein Exemplar kostet zehn Pfen-
nige, 4.000 werden gedruckt. Auch das sicher eine Idee von
Koppehel, der in jeder Hinsicht
Sehr schnell kommen auch Bestellungen aus anderen ein „Vorantreiber“ war. 1890 in
deutschen Regionen. Die damals sieben Landesverbände Berlin-Kreuzberg geboren, ganz
und auch der Bundesvorstand des DFB erkennen, wie in der Nähe des Tempelhofer Fel-
sinnvoll ein solches Medium ist, und sichern ihre Unter- des, auf dem sich das Berliner
stützung zu. Auf dem DFB-Bundestag 1919 in Erfurt Fußballgeschehen hauptsäch-
wird der Antrag des VBB, das Blatt in Bundesregie zu lich abspielte, befasste sich der
übernehmen, einstimmig angenommen. Die „Deutsche gelernte Buchdrucker und
Schiedsrichter-Zeitung“, wie sie nun heißt, beginnt ihren Schriftsetzer intensiv mit den
Weg zu machen. Fußballregeln und leitete selbst
viele Spiele.
Ab Juni 1919 wird sie deutschlandweit verbreitet, seit
nunmehr 100 Jahren also. Carl Koppehel hat die Jubi- Nachdem er 1916 wegen einer
läen immer von 1918 an gerechnet, was auch irgendwie Krankheit seine Teilnahme am
stimmt, denn letztlich haben sich 1919 ja nur der Name Ersten Weltkrieg quittieren
der „Berliner Schiedsrichter-Zeitung“ und das Verbrei- konnte, wurde er 1917 Vorsit-
tungsgebiet geändert. Sei es drum: 1918 oder 1919, an zender des Spielausschusses im
der Feststellung, dass die neun Berliner Herren eine VBB. Zu der Zeit war der Spiel-
wahre Jahrhundert-Idee für die Fußball-Bewegung hat- ausschuss auch zuständig für
ten, kommen wir in aller Bescheidenheit nicht vorbei. alles, was mit Schiedsrichtern