Page 7 - DFB-Schiedsrichterzeitung 03-2019
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          Inflation, eine rasende Geldentwertung von heute unvor-  Mit dem Blick auf heute könnte man zu dem Schluss
          stellbarem Ausmaß. Während eine Ausgabe 1921   kommen, dass auf deutschen Spielfeldern schon immer
          50 Pfennige kostet, sind es im Mai 1923 bereits 50 Mark.   mehr als anderswo gemeckert wurde …
          Immer schneller verliert die Deutsche Reichsmark gegen-
          über der Leitwährung, dem Dollar, an Wert. Löhne und   Die DSZ bietet also ein reiches Angebot an Themen,
          Gehälter werden täglich ausgezahlt und müssen umge-  die ganze Bandbreite der Schiedsrichter-Tätigkeit wird
          hend in Waren umgesetzt werden, denn am nächsten   abgedeckt. In seinem Rückblick zum 40-jährigen Beste-
          Morgen, wenn der Dollarkurs neu festgesetzt wird, sind   hen erinnert sich Koppehel: „Es gab kein Lehrbuch über
          sie möglicherweise kaum noch etwas wert.    die Regeln, keine Lehrarbeit in Form von Lehrgängen,
                                                      und die richtige Auffassung über die Schiedsrichterauf-
          Das DSZ-Abonnement Juli bis September 1923 kostet   gaben setzte sich nur langsam durch. Die Schiedsrich-
          100.000 Mark, für die beiden November-Ausgaben sol-  ter-Zeitung war das einzige Bindeglied, das System und
          len die Leser 100 Millionen zahlen. Ende November ist   Sicherheit in die Schiedsrichterheranbildung brachte.“
          der Spuk vorbei, eine Währungsreform sorgt dafür, dass
          die aberwitzigen Zahlen der Vergangenheit angehören.
          Der Bezugspreis pro Monat beträgt nun 25 Goldpfen-  „Die Schiedsrichter-Zeitung war
          nige.
                                                      das einzige Bindeglied, das System
          Herausgeber Leonhardt Germann schreibt: „Den Hun-
          derten von opferfreudigen Lesern, die auch im vergan-  und Sicherheit in die Schiedsrichter-
          genen Monat wieder durch freiwillige Überweisung weit
          höherer als der geforderten Beträge den Bau der ,Deut-  heranbildung brachte.“
          schen Schiedsrichter-Zeitung‘ befestigen halfen, soll in                                   Carl Koppehel, 1958
          nächster Nummer noch besonders gedankt werden.
          Einen Teil der Gelder konnte ich dazu verwenden, den   Und auch sportpolitisch lässt sie sich vernehmen. Immer
          in wirtschaftlicher Not befindlichen Schiedsrichtern,   wieder weisen Carl Koppehel und andere Autoren auf
          die mich darum baten, die Zeitung gratis zu liefern,   die ihrer Meinung nach mangelnde Bereitschaft des
          womit ich im Sinne der Spender gehandelt zu haben   zuständigen DFB-Spielausschusses hin, sich um die
          hoffe.“                                     Belange der Schiedsrichter zu kümmern: „Seit Jahren
                                                      lässt der Bund (gemeint ist der DFB, d. Red.) jede Mitar-
          G E LE B TE S CHIE DS RI CHTE R-S O LIDA RITÄT …  beit in der Schiedsrichterfrage vermissen und überlässt
                                                      die Arbeit an der Fortbildung der Schiedsrichter priva-
          Und inhaltlich? Selbstverständlich und immer wieder   ten Händen“, heißt es 1923 in der DSZ.
          geht es in der DSZ um Regeländerungen, Regelausle-
          gungen, Regelanwendungen: Wann und wie ist Rempeln   Und weiter an die Adresse des DFB: „Die Schiedsrichter
          erlaubt zum Beispiel? Was bringt eine mögliche Ände-  verlangen … ihre offizielle Anerkennung und Sanktio-
          rung der Abseitsregel? Darf ein Linienrichter eine Ver-  nierung ihrer bisher privaten Arbeit durch den Bund
          warnung aussprechen? Die Spannung zwischen Theorie   durch die Schaffung eines offiziellen Bundesschieds-
          und Praxis ist immer wieder ein wichtiges Thema. Tipps   richterausschusses.“ Dass die beiden Sätze fett gedruckt
          für Schiedsrichter-Neulinge, Berichte aus anderen Län-  sind, unterstreicht noch die Dringlichkeit ihres Anlie-
          dern, Ansetzungen zu Endrundenspielen um die deut-  gens. Koppehels „Drängelei“ wird nicht jedem im
          sche Meisterschaft werden veröffentlicht.     DFB-Vorstand gefallen haben.
                                                                                                   1930:
          Der „Fragekasten“ ist der Vorläufer des heutigen Regel-  In der Februar-Ausgabe 1924     Neue Optik.
          Tests. In einer Fußnote wird ausdrücklich auf Folgendes   wurde dann noch ein entspre-
          hingewiesen: „Alle an dieser Stelle gegebenen Regel-  chender Aufruf an die DFB-Spitze
          auslegungen sind vor der Drucklegung dem Bundes-  veröffentlicht, unter anderem
          spielausschuss vorgelegt (worden) und als amtliche   unterschrieben von dem damals
          Entscheidungen zu betrachten.“ Die Fragen werden über   schon berühmten internationa-
          alle Ausgaben hinweg durchnummeriert, damit man   len Schiedsrichter Dr. Peco Bau-
          sich einfacher auf sie beziehen kann.       wens (nach dem Zweiten Welt-
                                                      krieg DFB-Präsident), von Carl
          Aber natürlich wird auch aus der Praxis berichtet: Der   Koppehel, der selbst auch Län-
          europaweit bekannte internationale Schiedsrichter Wolf   derspiele leitete, und Erich
          Simon Boas (Niederlande) leitet während eines Berlin-  Chemnitz, einem späteren
          Besuchs das Verbandsligaspiel Hertha BSC gegen     FIFA-Schiedsrichter.
          VfB Pankow. Er ist erstaunt über die häufig reklamieren-
          den Berliner Spieler, passt sich aber dem offensichtlich   Und dieser öffentliche Druck
          hier üblichen Verhalten an. Nach dem Spiel weist er im   mithilfe der DSZ hat Erfolg: Auf
          Gespräch mit Carl Koppehel allerdings darauf hin, dass   dem DFB-Bundestag 1924 in
          in England oder auch in seiner Heimat so etwas strikt   Berlin wird ein dreiköpfiger
          sanktioniert werde. Er hätte dort bei gleichem Beneh-  Schiedsrichterausschuss gebil-
          men zwei oder drei Spieler vom Platz gestellt. Allerdings   det, der sich nun deutschland-
          komme so etwas dort gar nicht vor.          weit  um die Belange der Schieds-
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