Page 30 - DFB-Schiedsrichterzeitung 01-2020
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Dozierenden. Ihre GmbH kooperiert mit Bildungsein- „Ich habe immer beides gern gemacht. Ich mochte die
richtungen. Eine eigene PR-Agentur befüllt die gängi- Abwechslung“, sagt sie. Zum Pfeifen überredet hat sie
gen Kommunikationskanäle mit Informationen dazu und nach eigenen Angaben Bundesliga-Schiedsrichterin
arbeitet mit den Vereinen zusammen. Bibiana Steinhaus, die sie 2001 zufällig in Potsdam
getroffen hat. „Die Bibi sollte uns pfeifen und fragte
Zum anderen arbeitet sie für Schweizer Medien. Seit vier mich an der Ampel nach dem Weg. Ich sagte ihr, sie
Jahren ist die gebürtige Schweizerin Live-Expertin bei solle mir hinterherfahren. Am Spielort im Spielertun-
Damen- und Herrenspielen der eidgenössischen Fuß- nel vor dem Einlaufen stellte sich dann heraus, dass
ball-Nationalmannschaften – entweder im heimischen sie uns pfeift“, erzählt „Ka“, damals Torhüterin der Heim-
Fernsehen oder bei Radio SRF 3. Sie spricht Deutsch, mannschaft.
Französisch, Englisch, Schwedisch und natürlich Schwei-
zerdeutsch. Früher betrieb sie noch eigene Fußballcamps Seitdem hält sie Kontakt mit ihrem Schiedsrichter-Vor-
für Mädchen, sogenannte „KA-Camps“, bei denen sich bild. Und berichtet von einer weiteren Insider-Geschichte.
über die Jahre mehr als 1.000 Anmeldungen ansam- „Bibi hat mir versprochen, wenn ich die Prüfung absol-
melten. In diesem Jahr bietet Lehmann zum 14. und viere, wird sie mit einer anderen namhaften Person ein
letzten Mal ein Frauen-Eishockey-Camp an. Spiel von mir assistieren. Darauf freue ich mich riesig“,
sagt „Ka“.
„Auf dem Platz gibt es die meisten Normalerweise ist sie diejenige, „die vorne steht, doziert
Diskussionen wegen der Regeln. und anderen etwas erzählt“. Als sie sich zum Schieds-
richter-Neulingskurs angemeldet hatte, da hätten
Das hat mit Unwissenheit zu tun.“ Freunde zu ihr ironisch gesagt: Dozenten haben immer
Kathrin Lehmann recht – auch bei dir, „Ka“!
Der Tag beginnt bei ihr regelmäßig mit 40 Liegestützen
Man sieht: „Ka“ ist kreativ, immer beschäftigt und viel und 80 Sit-ups in der Münchner Wohnung. „Das dauert
unterwegs. Dabei arbeitet sie selten auf etwas konkret sechseinhalb Minuten, dann ist auch der Espresso warm.“
hin. Vielmehr „kreiere ich Situationen, die ermöglichen, Ausgleich findet die 39-Jährige beim Hören von klassi-
dass etwas passiert“, beschreibt sie ihre grundsätzliche scher Musik („Ich wollte eigentlich Opernsängerin wer-
Vorgehensweise. Als sie von 2007 bis 2010 in Stockholm den“) und Golfspielen. „Ich verbringe Abende mit dem,
wohnte, wo sie mit dem AIK Solna zweimal die Schwe- was ich gerne tue.“ Ihr wichtigster Begleiter ist Golden
dische Eishockey-Meisterschaft gewann und 2008 den Retriever „Tschutti“, was auf „Schwizerdütsch“ (Schwei-
European Champions Cup (Europapokal der Frauen), zerdeutsch) so viel heißt wie „Kicken“. „Er weiß alles
musste sich die sportbegeisterte Frau in einer neuen, über mich“, sagt „Ka“ und wirft einen liebevollen Blick
zunächst fremden Umgebung gut vernetzen und gut auf ihren treuen Gefährten.
vermarkten. Dass sie das kann, hat sie offensichtlich ihrer
Kindheit zu verdanken, als ihre sportbegeisterten Eltern – Und jetzt ihr (nicht mehr ganz so) neues Hobby Schieds-
Vater Georg und Mutter Margrit sind Sportlehrer – zu richterei: für sie wieder ein Feld, auf das sie sich mit gro-
ihren beiden älteren Brüdern Markus und Thomas sowie ßer Leidenschaft stürzen wird. „90 Minuten ein Spiel zu
zu ihr sagten: Ja, wir fahren euch ins Training – aber nur leiten – das sind auch eineinhalb Stunden kein Handy,
einmal pro Woche. „Von da an musste ich mich selbst keine anderen Probleme. Für mich ist das Bungee-Jum-
organisieren. Ich konnte schon mit jungen Jahren Bus- ping fürs Gehirn.“
Die Schiedsrichter- fahrpläne lesen und wusste, wann ich wohin musste.“
Tätigkeit betreibt die
39-Jährige aus Freude Im Alter von vier Jahren begann sie mit dem Eisho- Kathrin Lehmann würde sich freuen, wenn mehr ehe-
am Spiel, wie sie selbst ckeysport; als sie neun war, folgte der Fußball im Verein. malige Profis wie sie nach ihrer aktiven Karriere zur Pfeife
sagt. greifen würden. Aber dann bitte nicht über den mühsa-
men Weg wie jeder Jung-Schiedsrichter. „Ich kenne viele
Spielerinnen und Spieler, die sagen: ‚Ich würde das sofort
machen – aber bitte nicht von ganz unten an.‘“ Diejeni-
gen, die gut sind, sollten nach ihrer Ansicht gleich in
eine höhere Spielklasse eingegliedert werden.
Es sei doch sinnvoller, sagt sie, aus einer Golden-Age-
Generation „40 plus“ bei einem Förderlehrgang zehn
gute Leute zu finden, als bei einem Massenkurs 50 Teil-
nehmer auszubilden, von denen die meisten binnen
weniger Jahre wieder aufhörten.
Jeder Profi sollte ihrer Ansicht nach einen Schieds-
richter-Regeltest machen. „Auf dem Platz gibt es die
meisten Diskussionen wegen der Regeln. Das hat
mit Unwissenheit zu tun.“ Als sie Kapitänin der Schwei-
zer Eishockey-Nationalmannschaft war, interessierte
sie sich schon aus Eigennutz für die Regeln. „Es