Page 29 - DFB-Schiedsrichterzeitung 02-2020
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1863
100 Yards max.
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200 Yards max.
1863 1883 Grafik 1 (links) und
Grafik 2 (rechts):
Die sehr freie
Gestaltung des
Spielfelds mit lediglich
100 Yards max. 50 Yards min. 8 zunächst durch
vier Eckfahnen wurde
Begrenzungslinien
eingeschränkt. Zudem
durfte man aus den
Malstangen mithilfe
einer Querlatte ein Tor
200 Yards max. 100 Yards min. machen.
englischen Privatschulen genutzt, um den Schülern Das neue Gremium lief sich warm und brachte 1891
die Ideale und Tugenden der Gentlemen spielerisch weitere Linien ins Spiel, was sich mit einem Blick auf die
einzuschärfen. Die Spielfelder variierten stark von Grafik 3 leicht feststellen lässt. Um Diskussionen zu
1883
Schule zu Schule – je nach den örtlichen Gegebenhei- vermeiden, wo der Anstoß ausgeführt werden soll, wurde
ten. die Kennzeichnung eines Feldmittelpunkts angeordnet
samt einem Kreis mit einem 10-Yards-Radius. Eine Kenn-
Erste Normierungen gab es um 1850 durch die Zusam- zeichnung, die ja auch heute noch gilt, im metrischen
50 Yards min.
menfassungen von Regelwerken verschiedener Elite- System als 9,15-Meter-Abstand bekannt.
8
Schulen (u. a. Eton und Harrow), die von ehemaligen
Schülern ausgearbeitet wurden. Mit Blick auf unser Größere Auswirkungen auf die Fußballplatz-„Optik“ hatte
Thema war ihnen eines gemeinsam: Das Spielfeld war die Einführung des Strafstoßes in jenem Jahr. Wer als
lediglich an seinen Ecken durch Flaggen markiert. Die Abwehrspieler 12 Yards oder näher zu seiner Torlinie
„Cambridge Rules“, nach denen der Sport an vielen Orten ein Foul oder ein absichtliches Handspiel beging, ver-
100 Yards min.
ab 1848 betrieben wurde, waren so ein Werk. wirkte nicht nur einen Freistoß (bei dem sich Abwehr-
spieler zwischen Ball und Tor aufhalten durften), son-
Und auch in den Regeln, die die oben genannten Gen- dern ab jetzt einen „penalty“. Um zu erkennen, wo das
tlemen festlegten, sah das Feld so aus, wie wir es uns Vergehen stattfand, wurde deshalb eine Linie 12 Yards
in der Grafik 1 anschauen können. Eigentlich erstaun- vor dem Tor über das ganze Spielfeld gezogen.
lich – aber vielleicht auch nur für uns heute –, dass es
offensichtlich ohne großen Streit darüber ablief, ob der Der Strafstoß konnte von jedem Punkt dieser Linie aus-
Ball die nur gedachten Linien zwischen den Flaggen geführt werden. Der Torwart durfte dabei bis zu 6 Yards
überschritten hatte oder nicht. Mag sein, dass es mit der aus einem Tor herauskommen. Damit er diese Entfer-
legendären Fairness zu tun hatte, mit der die englischen nung in jeder Richtung einhielt – egal von wo der Schütze
Fußballer ihren Sport betrieben. schoss –, führte der IFAB „a line defining six yards from
the goal posts“ ein.
So dauerte es 20 Jahre, bis 1883 erstmals Linien aufs
Feld kamen. Das war dann wohl notwendig, weil mit Also wörtlich übersetzt: eine Linie, definierend sechs
der größeren Verbreitung des Spiels der Ehrgeiz der Yards von den Torpfosten. Damit kommen wir in die
Akteure die Zurückhaltung beim Kampf um den Sieg Spannung zwischen Regeltext und Regelauslegung.
immer öfter überwog. Die Linien sollten helfen, über Längst nicht jeder verstand den Text so, wie er in der
„in“ oder „out“ zu entscheiden. Sie verbanden die Fah- Grafik 3 umgesetzt ist. Auf vielen Spielfeldern fand sich
nen an den Ecken und gehörten von Anfang an zum eine Linie, die 6 Yards vor dem Tor parallel zur gesam-
Spielfeld, sodass der Ball auch schon damals erst im ten Grundlinie verlief.
Aus war, wenn er die Linie vollständig überquert hatte
(Grafik 2).
Linien-Historie in Kürze
Inzwischen hatten sich auch in den anderen Teilen Groß-
britanniens (Schottland, Wales, Irland) Fußball-Verbände
gebildet. 1872 fand in Glasgow das erste Länderspiel Auf dem Feld
der Fußball-Geschichte zwischen Schottland und Eng- • Seiten- und Torlinien: 1883 eingeführt, seitdem konstant
land statt, und ab 1883 wurde jährlich die British Home • Torraum: 1891 eingeführt, seit 1902 konstant
Championship ausgetragen, denn die vier Verbände • Strafraum: 1891 eingeführt, seit 1902 konstant
hatten eigene Nationalmannschaften gebildet. • Strafstoßpunkt: 1902 eingeführt, seit 1938 mit Teilkreis und seitdem
konstant
Da jeder Verband sein eigenes Regelwerk hatte, war es • Mittelpunkt und Mittellinie: 1891 eingeführt und seitdem konstant
höchste Zeit, die Regeln zu vereinheitlichen. Zu diesem • Eck-Viertelkreis: 1938 eingeführt und seitdem konstant
Zweck gründeten die vier Verbände den International
Football Association Board (IFAB), der im Juni 1886 zum Neben dem Feld
ersten Mal tagte; ein genialer Einfall, denn dieses Gre- • Fotografenlinie: 1938 bis 1997 gültig
mium sorgt seitdem, also seit 134 Jahren, für die Ein- • Technische Zone: 1995 eingeführt, seit 2009 konstant
heitlichkeit der Regeln. Nicht nur in Großbritannien, • Referee Review Area: 2015 eingeführt, seitdem konstant
sondern in der gesamten Fußball-Welt.