Page 6 - DFB-Schiedsrichterzeitung
P. 6

6         TITE LTH E M A
                D F B-S CH I E DS R I CH T E R -Z E IT U N G  0 4 | 2 0 2 0









































       Bei Christian Dingert
       stand das Telefon über
       Wochen nicht still.
                        nehmer und Selbstständigen waren schließlich riesig.   desliga-Referee seine Energie schon nicht „auf dem
                        „Das Telefon hat ununterbrochen geklingelt und das   Platz“ lassen konnte, investierte er sie in anderen Berei-
                        E-Mail-Postfach  ist  übergelaufen“,  berichtet  er.  Das   chen. Etwa, indem er sich sozial engagierte. Er gründete
                        änderte sich erst langsam in den Wochen, als Deutsch-  eine Initiative und ging gemeinsam mit seiner Frau Anita
                        land wieder hochfuhr. „Als Lockerungen beschlossen   für bedürftige Menschen in der Corona-Krise einkaufen.
                        wurden, kamen die Fragen, wen diese wann betreffen.   „Das war eine spontane Entscheidung, aus dem Bauch
                        Irgendwelche Anfragen tauchten immer auf.“   heraus“, erzählt er. „Einerseits wusste man ja, dass ältere
                                                                     Personen nicht mehr einkaufen sollten. Andererseits
                        Dingert gab Auskunft, war Ratgeber und Seelsorger. Trä-  musste das aber ja auch jemand für sie tun.“
                        nen und Emotionen am Telefon musste er mit großer
                        Empathie begegnen: „Ich bin gern für die Leute da und   Jenen Menschen, die der Risikogruppe (hohes Alter,
                        versuche zu helfen, wo ich kann.“ Viele Menschen, deren   Immunschwäche, Vorerkrankungen) angehörten, griff
                        Existenz bedroht sei, kenne er persönlich. Und Emotio-  Petersen einige Wochen lang unter die Arme. „Wir hatten
                        nen zu begegnen, das kenne er ja vom Fußballplatz.  einen Stamm an älteren Menschen in unserer Nachbar-
                                                                     schaft, denen wir so halfen, mit Einkäufen von Lebens-
                        Auch wenn es wie in jeder Krise Profiteure gibt – eine   mitteln und Medikamenten, beim Gassigehen mit dem
                        Firma für Lebensmittelverpackungen lief plötzlich auf   Hund und bei Botengängen. Wir waren täglich unterwegs.“
                        Hochtouren –, war die Stimmung meist gedrückt. Was
                        Dingert dennoch freut: Der Umgang der Menschen blieb   Über eine eigens eingerichtete Internetseite konnten
                        verständnis- und rücksichtsvoll, hilfsbereit. Der Krisen-  Menschen ihren Bedarf anmelden. Anita koordinierte
                        stab des Ordnungsamtes, dem Dingert auch angehörte,   von zu Hause aus die Aufträge, Martin war draußen
                        musste bei der Überprüfung der Einhaltung der Regeln   unterwegs. Der Mann, der sonst quer durch die Repu-
                        nur selten durchgreifen.                     blik von Strafraum zu Strafraum rennt, lief nun im Stutt-
                                                                     garter Osten von Supermarkt zu Supermarkt. „Es war
                        Obwohl er persönlich nicht unter Langeweile litt, ver-  mir wichtig, etwas Sinnvolles zu tun in der fußballfreien
                        misste Christian Dingert den Fußball: „Ich hielt mich mit   Zeit“, sagt Petersen. „Wenn sich in jedem Ort ein paar
                        Waldläufen und zu Hause fit und war froh, als zumindest   Menschen auf diese Weise engagieren, ist den älteren
                        der Sportplatz bei uns im Ort wieder geöffnet wurde.“  Menschen sehr geholfen.“

                        M A R T IN  P E T E R S E N :  E INK AU F S D I E NS T  Ab Mai wurde die Zeit für das Projekt dann weniger. Nicht
                        F Ü R  S T U T T G A R T E R  S E N IO R E N  nur, weil die Vorbereitungen für den Spielbetrieb der
                                                                     Bundesliga wieder Fahrt aufnahmen, sondern vor allem,
                        Sich auf die faule Haut zu legen, ist nicht das Ding von   weil Martins Frau mitten in der Corona-Krise das zweite
                        Martin Petersen (Stuttgart). Wenn der 35-jährige Bun-  gemeinsame Kind zur Welt brachte: „Das hält uns jetzt
   1   2   3   4   5   6   7   8   9   10   11