Page 6 - DFB-Schiedsrichterzeitung
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Bei Christian Dingert
stand das Telefon über
Wochen nicht still.
nehmer und Selbstständigen waren schließlich riesig. desliga-Referee seine Energie schon nicht „auf dem
„Das Telefon hat ununterbrochen geklingelt und das Platz“ lassen konnte, investierte er sie in anderen Berei-
E-Mail-Postfach ist übergelaufen“, berichtet er. Das chen. Etwa, indem er sich sozial engagierte. Er gründete
änderte sich erst langsam in den Wochen, als Deutsch- eine Initiative und ging gemeinsam mit seiner Frau Anita
land wieder hochfuhr. „Als Lockerungen beschlossen für bedürftige Menschen in der Corona-Krise einkaufen.
wurden, kamen die Fragen, wen diese wann betreffen. „Das war eine spontane Entscheidung, aus dem Bauch
Irgendwelche Anfragen tauchten immer auf.“ heraus“, erzählt er. „Einerseits wusste man ja, dass ältere
Personen nicht mehr einkaufen sollten. Andererseits
Dingert gab Auskunft, war Ratgeber und Seelsorger. Trä- musste das aber ja auch jemand für sie tun.“
nen und Emotionen am Telefon musste er mit großer
Empathie begegnen: „Ich bin gern für die Leute da und Jenen Menschen, die der Risikogruppe (hohes Alter,
versuche zu helfen, wo ich kann.“ Viele Menschen, deren Immunschwäche, Vorerkrankungen) angehörten, griff
Existenz bedroht sei, kenne er persönlich. Und Emotio- Petersen einige Wochen lang unter die Arme. „Wir hatten
nen zu begegnen, das kenne er ja vom Fußballplatz. einen Stamm an älteren Menschen in unserer Nachbar-
schaft, denen wir so halfen, mit Einkäufen von Lebens-
Auch wenn es wie in jeder Krise Profiteure gibt – eine mitteln und Medikamenten, beim Gassigehen mit dem
Firma für Lebensmittelverpackungen lief plötzlich auf Hund und bei Botengängen. Wir waren täglich unterwegs.“
Hochtouren –, war die Stimmung meist gedrückt. Was
Dingert dennoch freut: Der Umgang der Menschen blieb Über eine eigens eingerichtete Internetseite konnten
verständnis- und rücksichtsvoll, hilfsbereit. Der Krisen- Menschen ihren Bedarf anmelden. Anita koordinierte
stab des Ordnungsamtes, dem Dingert auch angehörte, von zu Hause aus die Aufträge, Martin war draußen
musste bei der Überprüfung der Einhaltung der Regeln unterwegs. Der Mann, der sonst quer durch die Repu-
nur selten durchgreifen. blik von Strafraum zu Strafraum rennt, lief nun im Stutt-
garter Osten von Supermarkt zu Supermarkt. „Es war
Obwohl er persönlich nicht unter Langeweile litt, ver- mir wichtig, etwas Sinnvolles zu tun in der fußballfreien
misste Christian Dingert den Fußball: „Ich hielt mich mit Zeit“, sagt Petersen. „Wenn sich in jedem Ort ein paar
Waldläufen und zu Hause fit und war froh, als zumindest Menschen auf diese Weise engagieren, ist den älteren
der Sportplatz bei uns im Ort wieder geöffnet wurde.“ Menschen sehr geholfen.“
M A R T IN P E T E R S E N : E INK AU F S D I E NS T Ab Mai wurde die Zeit für das Projekt dann weniger. Nicht
F Ü R S T U T T G A R T E R S E N IO R E N nur, weil die Vorbereitungen für den Spielbetrieb der
Bundesliga wieder Fahrt aufnahmen, sondern vor allem,
Sich auf die faule Haut zu legen, ist nicht das Ding von weil Martins Frau mitten in der Corona-Krise das zweite
Martin Petersen (Stuttgart). Wenn der 35-jährige Bun- gemeinsame Kind zur Welt brachte: „Das hält uns jetzt