Page 29 - DFB-Schiedsrichterzeitung 06-2020
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               rstarrtes Warten, während ein pistolenartiges   senzveranstaltungen besucht und profitiert von den   TE X T
               Messgerät Richtung Stirn zielt. Kurze Stille. Dann   erleichterten Corona-Bedingungen in Sachsen. „Bei uns   Bianca Zindel
         E ertönt ein kurzes, helles Piepen und das kleine   sind Veranstaltungen mit bis zu 100 Personen schon
          Display auf dem Gerät zeigt 36,4 Grad Celsius an. Mit   länger erlaubt“, erklärt er, „seit Mitte Juni gab es bei uns
          dieser Körpertemperatur hat Torsten Bauer auch die   in den Kreisen daher auch wieder einen Spielbetrieb.“
          dritte Hürde geschafft und darf den Tagungsraum betre-  Wenigstens die Pokalspiele seien bei den Männern,
          ten. Dort sitzen bereits seine Beobachter-Kollegen und   Frauen und Jugendlichen ausgetragen worden.
          warten auf den Beginn des Lehrgangs in wenigen Minu-
          ten. Alle Teilnehmer hatten bereits zwei Tage vor dem   Dass er am Beobachter-Lehrgang teilnehmen durfte,
          Lehrgang einen Corona-Selbsttest durchführen müs-  hat er erst vor ein paar Stunden erfahren: „Für die Ver-
          sen. Das Vorzeigen des negativen Ergebnisses sowie   anstaltung hier habe ich einen Schnelltest am Flugha-
          ein Selbstauskunftsbogen über Symptomfreiheit sind   fen gemacht. Ich bin erst vor 15 Stunden aus Bulgarien
          die beiden anderen Bedingungen, um in diesem Jahr   zurückgekommen.“ Das Testergebnis habe drei Stun-
          an einem DFB-Lehrgang teilnehmen zu dürfen.   den später vorgelegen und sei zum Glück negativ gewe-
                                                      sen. Auf die Frage, ob die Entschleunigung durch Corona
          Der Blick in den Tagungsraum erinnert im ersten   auch ihre guten Seiten für ihn persönlich gehabt habe,
          Moment an ein riesengroßes Klassenzimmer in der   erzählt Sather, dass er durch die Unterbrechung in sei-
          Schule, in dem eine Kursarbeit geschrieben wird: Die   nen Routinen tatsächlich zur Ruhe gekommen sei: „Man
          Tischreihen sind weit auseinandergezogen, zwischen   hat auf einmal andere Interessen kennengelernt. So
          jedem Platz klafft zusätzlich eine Lücke. Statt Kugel-  habe ich zum Beispiel die Zeit für das Hören von klas-
          schreibern liegen Registrierungsbögen für das Hotel   sischer Musik genutzt, was ich sonst nie gemacht hätte“,
          auf jedem Sitzplatz. Und zwischen den Erfrischungs-  berichtet er begeistert.
          getränken stehen in diesem Jahr erstmals Flaschen mit
          Handdesinfektionsmittel.
                                                      „Die vergangene Saison war alles
          Nach und nach treten auch die noch fehlenden Schieds-
          richter-Beobachter über die Türschwelle, nehmen   andere als normal – und das wird
          erleichtert ihre Masken ab und setzen sich auf ihre
          Plätze. Einer von ihnen ist Sandy Hoffmann, ein humor-  wohl auch auf die neue zutreffen.“
          voller Mann, dessen Name schon für so manche Ver-
          wirrung gesorgt hat. Lachend erzählt er, dass ihm damals      Udo Penßler-Beyer, Vorsitzender DFB-Schiedsrichter-Ausschuss
          bei seinen ersten Spielen nicht selten eine Extra-Kabine
          für Frauen angeboten worden sei.
                                                      Von so viel Normalität kann sein Kollege zwei Tisch-
          A K Z E P TA N Z F Ü R A B S TA N D U N D M A S K E N  reihen weiter nur träumen: Michael Malbranc kommt
                                                      vom Hamburger Fußball-Verband und ist aus Hamburg
          Auf die Frage, wie es sich anfühle, unter Pandemiebe-  strenge Regeln gewohnt. Die vielen Einschränkungen
          dingungen hier zu sein, überlegt er nicht lange. „Die   in der Hafenstadt hätten ihn traurig gestimmt. Auch
          Freude überwiegt“, meint Sandy fröhlich, „dass es end-  das Tragen von Masken finde er nach wie vor gewöh-
          lich wieder losgeht!“ Zwar seien Videokonferenzen ein   nungsbedürftig. „Ich respektiere die Anordnungen“,
          probates Mittel gewesen, um Informationen auszutau-  stellt er klar, „aber am liebsten halte ich mich dort auf,
          schen, aber dies ersetze eben doch keine Präsenzver-  wo es ohne Maske erlaubt ist.“
          anstaltung. „Wir Beobachter treffen uns nur dieses eine
          Mal im Jahr, um uns untereinander auszutauschen“,   Für den Schiedsrichter-Beobachter ist dieser der erste
          erklärt der Thüringer. „Es ist jedes Mal spannend, von-  Lehrgang nach dem Ausbruch des Virus. „Der Selbst-
          einander zu lernen und zu schauen, wie die anderen   test war für mich mein erster Corona-Test überhaupt
          Verbände arbeiten.“                         und das Abrufen des Testergebnisses auf dem Online-
                                                      Portal war ein spannender Moment.“ Er habe gewusst,
          Dies sei seine erste Präsenzveranstaltung nach dem   dass ein negatives Testergebnis auf dem Bildschirm
          Lockdown, aber er fühle sich gut aufgehoben, betont   grün erscheine – und in dem Moment, in dem er die
          er: „Ich fühle mich sicher.“ Man müsse akzeptieren, dass   entscheidende Taste gedrückt habe, der Farbe entge-
          manche Teilnehmer mehr Abstand hielten oder die   gengefiebert. „Dann erschien die Schrift in grün – und
          Maske länger aufließen, aber das sei in Ordnung. Das   der Tag war gerettet“, erzählt er schmunzelnd.
          müsse jeder für sich entscheiden.
                                                      Auch für Sandra Stolz vom Fußball-Landesverband
          Voller Vorfreude schaut Hoffmann auch schon eine   Brandenburg hatte Corona deutlich spürbare Auswirkun-
          Woche weiter: „Da habe ich meine erste Veranstaltung   gen. Der Neuling unter den Beobachtern hatte im Dezem-
          als Schiedsrichter-Coach beim Beachsoccer in Düssel-  ber vergangenen Jahres das letzte Spiel. Zwölf Jahre lang
          dorf.“ Zwar gebe es dort keine Zuschauer, aber mit der   war Sandra als Schiedsrichterin aktiv. Ihre letzte Saison
          Beachsoccer-Kulisse, beispielsweise in Rostock direkt   wurde durch Corona jäh beendet, das Abschiedsspiel
          am Meer, „ist dies mein Sommerausgleich“.   fiel aus. Trotzdem wirkt die 37-Jährige nicht traurig. Sie
                                                      sei gefragt worden, ob sie eine Saison dranhängen wolle,
          Anders sieht es für Harald Sather aus, Obmann des Säch-  habe dies aber abgelehnt. „Mein Entschluss stand fest“,
          sischen Fußball-Verbandes. Er hat bereits mehrere Prä-  sagt sie bestimmt, „ich habe für mich alles erreicht.“
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