Page 27 - DFB-Schiedsrichterzeitung 06-2020
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Bei der WM in Brasilien 2014 wurde Luis Suárez zum nicht unterbrechen, sondern auf „Weiterspielen“
fast perfekten Schauspieler. Der Stürmerstar aus Uru- entscheiden. Noch zu häufig werden Spieler gerade in
guay sorgte im Aufeinandertreffen mit Italien für unteren Spielklassen wegen Simulationen verwarnt,
Schlagzeilen. Nicht nur wegen seines Bisses in die wenn sie im gegnerischen Strafraum beim Kampf um
Schulter von Giorgio Chiellini – auch mit der anschlie- den Ball zu Fall kommen, ohne dass dabei tatsächlich
ßenden Schauspieleinlage, als er nach seiner Attacke ein Täuschen vorliegt.
zu Boden fiel und mit schmerzhafter Miene seine Hände
an den Mund hielt, stellte er sich ins sportliche Abseits. Geben Spieler vor, sich verletzt zu haben, und fragen
Suárez reihte sich so in eine Vielzahl von Aktionen ein, nach einer Behandlung, sollte der Referee ebenfalls
die in den Geschichtsbüchern des Fußballspiels – wie zunächst einmal davon ausgehen, dass tatsächlich eine
die „Möller-Schwalbe“ – unter dem Begriff „Simulati- Verletzung vorliegt, und den Betreuer aufs Feld rufen.
onen“ festgehalten sind. Dies ist vor allem zu beachten, wenn es zu einer blu-
tenden Wunde oder einer Kopfverletzung gekommen
Als solche unsportlichen Verhaltensweisen immer mehr ist. Nach der Behandlung muss der Spieler im Sinne
Einzug auf den Fußballplatz fanden, entschied die FIFA, des Regelwerks das Spielfeld verlassen und darf erst
dass es dafür zwingend eine Verwarnung geben müsse. nach Anmeldung beim Schiedsrichter und mit dessen
Unter der Überschrift „Verwarnung für unsportliches Zustimmung wieder zurückkommen. Die Entscheidung,
Betragen“ lautet der aktuelle Regeltext seitdem: „Ein wann der Spieler wieder mitspielen darf, liegt im Ermes-
Spieler ist wegen unsportlichen Betragens zu verwar- sen des Unparteiischen.
nen, wenn er versucht, den Schiedsrichter z. B. durch
das Vortäuschen einer Verletzung oder eines Fouls Bei knappen Spielständen kurz vor dem Ende eines
(Schwalbe) zu täuschen (Simulieren).“ Spiels kommt es sicher auch vor, dass Spieler eine Ver-
letzung simulieren, um zunächst auf dem Platz behan-
V I E LE F O RM E N D E S S I M U LI E R E N S delt zu werden. Für den Gegner sollen so wertvolle
Minuten verstreichen. Kaum haben sie danach das Spiel-
Bei dieser Erweiterung der Spielregeln ging es dem feld für eine kurze Behandlung verlassen, melden sie
International Football Association Board (IFAB) anfangs sich wieder an und wollen weiter am Spiel teilnehmen.
nur um das unfaire Herausschinden eines Strafstoßes Für alle Beteiligten kommt die schnelle Gesundung
oder das Vortäuschen eines Fouls durch einen Gegen- des Spielers dann überraschend. Die in einem solchen
spieler. Inzwischen haben sich jedoch noch weitere Fall verloren gegangene Zeit muss der Schiedsrichter
Formen des Simulierens im Fußball eingeschlichen, deshalb konsequent nachspielen lassen.
die ebenfalls als „unsportlich“ einzustufen sind. Auch
sie müssen entsprechend der Regel 12 bestraft wer- Im Duden bedeutet Simulieren: „Lügen, vormachen als
den. Mal lassen sich Spieler oder Trainer nach einer ob, vorgeben, so tun als wenn, vortäuschen, schau-
Berührung theatralisch fallen und täuschen den Kopf- spielern“. Aus dieser Definition heraus wird deutlich,
stoß eines Gegners vor, dann wieder wehren die Akti- dass so ein Verhalten versteckt, mit allen Raffinessen
ven einen Ball auf der Torlinie mit der Hand ab und und immer auf das Gegenüber ausgerichtet durchge-
drehen ihren Oberkörper so, dass der Schiedsrichter führt wird. Der Schiedsrichter, die gegnerischen Spie-
eine Abwehr mit der Brust vermutet. Schließlich kommt ler, die Offiziellen, die Fans und auch die Medien sollen
es auch vor, dass angreifende Spieler den Ball mit einer also getäuscht werden, damit der ausführende Spieler
schnell vorgestreckten Hand ins Tor lenken und ein durch diesen Betrug einen Vorteil bekommt.
Kopfballtor für sich reklamieren.
Dem Unparteiischen wird es nur dann gelingen, dies
In der Vorbereitung auf den nächsten DFB-Lehrbrief zu erkennen, wenn er auf ein solches Verhalten einzel-
zum Thema „Simulationen“ befragten die Verfasser ner Spieler geistig vorbereitet ist, wenn er über ein
86 Unparteiische aus mehreren Landesverbänden nach umfangreiches Maß an Erfahrung verfügt und wenn er
den Auswirkungen von Unsportlichkeiten im Profifuß- auf der Grundlage einer guten körperlichen Verfassung
ball. Dabei wurde deutlich, dass diese Vergehen der das jeweils passende Stellungsspiel zum Geschehen
sogenannten Vorbilder aus dem bezahlten Fußball bis einnimmt.
hin zu den Nachwuchskickern ihre Nachahmer finden.
Udo Penßler-Beyer, der Vorsitzende im DFB-Schieds- Hat der Schiedsrichter ein Simulieren eindeutig erkannt,
richterausschuss, meint dazu: „Was die Juniorenspieler so muss er mit der nötigen Konsequenz bezüglich der
und Kreisklassenfußballer am Samstag bei den Profis Persönlichen Strafe sowie der notwendigen Spielstrafe
sehen, das müssen unsere Unparteiischen an der Basis eingreifen. Arbeitet der Unparteiische im Team mit sei-
am Tag darauf ausbaden, denn Simulieren gehört selbst nen Assistenten, so kommt diesen in der Zusammen-
im Amateursport längst zum Fußballalltag.“ arbeit ebenfalls eine besondere Bedeutung zu.
Bei Simulationen von Spielern ist jedoch zu beachten, Die Verfasser der DFB-Lehrbriefe haben die Schwierig-
dass der Grad der Bewertung durch den Schiedsrichter keiten erkannt, die einem Referee aus den Schauspiel-
bei der Annahme einer „Schwalbe“ oftmals sehr schmal künsten mancher Spieler erwachsen, und diese Pro-
ist. Lässt sich nicht klar erkennen, ob ein Angreifer ein blematik deshalb im Lehrbrief 94 bearbeitet. Sie geben
Foul vorgetäuscht hat oder ob er bei einem fußballty- methodische Hilfestellungen für die Lehrarbeit und
pischen Zweikampf mit einem Abwehrspieler zu Fall zeigen an konkreten Videobeispielen auf, woran sol-
gekommen ist, so sollte der Schiedsrichter das Spiel che Simulationen zu erkennen sind.