Page 8 - DFB-Schiedsrichterzeitung 06-2020
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                        Die Wege in Richtung Tribüne und Kabinen sind mit   Zwei Zuschauer sind indes nicht nur da, um mitzuerle-
                        Klebeband auf dem Asphalt als Einbahnstraßen mar-  ben, ob der FC Hürth sein erstes Heimspiel in dieser
                        kiert, die Leute sollen sich nach Möglichkeit nicht allzu   Saison gewinnen wird. Der Präsident des Verbandes,
                        nahe kommen. Auch einen Teil der Sitzschalen haben   Bernd Neuendorf, und sein Geschäftsführer, Dirk
                        die Hürther auf ihrer Tribüne abmontiert und die Zwi-  Brennecke, haben sich auf der Tribüne unter die
                        schenflächen abgesperrt. Die Vorbereitung wirkt ins-  Zuschauer gemischt. Beide sind froh, dass es nun end-
                        gesamt sehr professionell, das ist hier schließlich die   lich wieder losgeht, wollen aber natürlich auch sehen,
                        fünfthöchste Spielklasse Deutschlands. Nur der Des-  ob sich die Vereine an die Auflagen halten. Der Ver-
                        infektionsspender, den die Zuschauer beim Betreten   band hat das Hygienekonzept klar kommuniziert und
                        des Stadions nutzen sollen, ist leer.        zudem auf seine Website gestellt, man fühlt sich ins-
                                                                     gesamt gut vorbereitet: „Auf diesem grünen Rechteck
                                                                     kann eigentlich nichts passieren“, sagt Brennecke und
       „Auf diesem grünen Rechteck                                   deutet auf den Platz, „diese Botschaft muss einfach
                                                                     rein in die Köpfe der Leute.“
       kann eigentlich nichts passieren.“
                                                                     In der Tat: Von einer Übertragung des Virus bei einem
                           Dirk Brennecke, Geschäftsführer Fußball-Verband Mittelrhein  Fußballspiel war bislang nichts zu lesen. Wissenschaft-
                                                                     ler der Universität Aarhus in Dänemark konnten außer-
                                                                     dem in einer Studie zeigen, dass sich Fußballspieler im
                        „Seife wäre aber schon schön gewesen“, meint Laura   Amateurbereich im Schnitt nur 60 Sekunden pro Spiel
                        und holt ihren eigenen Spender aus der Sporttasche.   in einer Distanz nahekommen, aus der eine Übertra-
                        Während die Zuschauer dank des neu einzuhaltenden   gung überhaupt grundsätzlich möglich wäre. In mehr
                        Abstands auf der Tribüne ungewohnte Beinfreiheit vor-  als der Hälfte dieser Fälle dauerte dieser Kontakt zudem
                        finden, ist die Kabinensituation für die Schiedsrichter   nur rund eine Sekunde.
                        beim FC Hürth alles andere als optimal: ein kleiner
                        Raum, vielleicht fünf Quadratmeter – und das für sechs   DA S KO N Z E P T K A N N G E L I N G E N
                        Schiedsrichter. Vor dem Mittelrheinliga-Spiel läuft näm-
                        lich noch die Begegnung der zweiten Mannschaft, die   Dennoch will man nichts dem Zufall überlassen. „Eini-
                        in der Bezirksliga spielt.                   ges  muss  sich  natürlich  noch  einspielen“,  erklärt
                                                                     Brennecke. „Wir arbeiten zum Beispiel daran, die
                        „Darüber haben wir im Vorfeld im Team gesprochen“,   Papierlisten am Eingang durch QR-Codes zu ersetzen,
                        erzählt Laura, die die Kabinensituation beim FC Hürth   die jeder mit seinem Smartphone einscannen kann.“
                        diplomatisch „besonders“ nennt. „Wir gehen deswegen   Während des Spiels fallen dem Geschäftsführer dann
                        ganz nach dem Grundsatz vor: Möglichst wenig Zeit in   noch weitere kleine Verstöße auf: „Die Friesdorfer
                        geschlossenen Räumen verbringen, alle Türen und Fens-  Bank war zu eng, da müssen die Ersatzspieler Abstand
                        ter aufreißen, uns nacheinander umziehen und Masken   halten. Das haben wir ihnen in der Pause gesagt.“ Und:
                        in der Kabine tragen.“ Bei Temperaturen von mehr als   „Dass zwei Spieler aus derselben Wasserflasche trin-
                        20 Grad wie an diesem Tag ist das kein großes Problem,   ken, ist natürlich nicht optimal.“ Im Gegensatz zur
                        aber wie soll das im Winter funktionieren? Bei fünf Grad   Bundesliga werden die Amateurspieler schließlich
                        und Nieselregen vor der Kabine zu warten, bis sich alle   nicht standard- und regelmäßig getestet.
                        aus dem Schiedsrichter-Team umgezogen haben – das
                        könnte eine Herausforderung werden.          Insgesamt zeigen sich Geschäftsführer und Präsident
                                                                     aber zufrieden mit der Umsetzung der Verbandsvor-
                        K R I TI S C H E  B E O B AC H TE R  A M     gaben. Wenn es überall so läuft wie in Hürth, dann
                        S P I E LF E LD R A N D                      kann es gelingen mit der neuen Saison. Auch Laura
                                                                     ist positiv überrascht: „Ich hätte nicht gedacht, dass
                        Das Spiel indes gerät für Laura weniger zur Herausfor-  das auf Verbandsebene so schnell umgesetzt wer-
                        derung. Eigentlich läuft auch nach der langen Pause   den würde. Der Verein hat uns professionell emp-
                        alles wie immer. Die Spieler führen intensive Zwei-  fangen und kurz in die Abläufe eingewiesen.“ Nur
                        kämpfe und suchen den Körperkontakt. Auch in den   einmal, als die Zuschauer ihrem Assistenten zu sehr
                        Gesprächen der Zuschauer auf der Tribüne geht es   auf die Pelle rücken, schreitet Laura im Spiel ein. „Wer
                        schon bald nicht mehr um Corona, sondern um das   nicht auf der Tribüne sitzt, soll wenigstens eine Maske
                        Geschehen auf dem Rasen: „Jeder fummelt rum und   tragen.“
                        jibt nich ab“, ruft ein Mann schon nach fünf Minuten
                        auf den Platz.                               Das Spiel endet nach 90 Minuten mit 2:0 für die Gast-
                                                                     geber. Kein normaler Saisonauftakt, aber einer, der
                        Laura hat mitunter zu tun, wird aber auch nicht über-  Mut macht – Mut, dass die Saison auch im Herbst
                        mäßig gefordert. Auch der Gedanke ans Abstandhal-  und Winter weitergeführt werden und sich der Ama-
                        ten lenkt sie nicht ab: „Im Spiel selbst ist man doch   teurfußball auch unter Corona-Auflagen halbwegs
                        schon stark in seinen Automatismen drin. Aber klar,   normal anfühlen kann. Laura ist jedenfalls vorsichtig
                        wenn ich einen Spieler anspreche, dann habe ich schon   optimistisch: „Ich glaube, diese Saison wird zu Ende
                        darauf geachtet, den Abstand jetzt nicht auch noch   gespielt. Ich würde mir wünschen, dass die Vereine
                        weiter zu verkürzen“, sagt Laura nachher, „das hat auch   weiter so mitziehen, wie es jetzt in Hürth geklappt
                        gut funktioniert.“                           hat, dann kann es gelingen.“
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