Page 15 - DFB-Schiedsrichterzeitung 01-2020
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So erläutert beispielsweise Bernd Domurat, welche
Ergebnisse die vollständige Überarbeitung des Materi-
als für die Grundausbildung der Unparteiischen auf der
Online-Lernplattform des DFB hervorgebracht hat. Chris-
tine Baitinger berichtet über die Lehrgänge der Schieds-
richterinnen vor Saisonbeginn, die bei der Leistungs-
überprüfung nicht immer zufriedenstellende Resultate
erbracht haben. Walter Moritz gibt Neuigkeiten aus dem
Bereich Futsal bekannt, während Florian Steinberg aus-
führt, welche Gedanken und Ideen es in der Arbeits-
gruppe zur Reform des Beobachtungsbogens gibt.
Nach einer Dreiviertelstunde folgt dann der Hauptpro-
grammpunkt der Lehrwartetagung. Entlang der Schwer-
punkte Strafraumvergehen, Zweikampfbewertung,
Handspiel, Abseits sowie Regeländerungen und Klar- Sowohl Mateta als
stellungen erläutert Lutz Wagner anhand von aktuellen eine Rolle bei der Bewertung der Situation spielen. „Hier auch Kabak setzen
Videoszenen, wie die aktuelle Regelauslegung aussieht hätte es deshalb einen Strafstoß geben müssen“, resü- ihre Arme ein,
oder aussehen sollte. miert er. auch im Bein- und
Fußbereich kommt
es nicht zu einem
S TR A F R AU M V E RG E H E N Z W E IK A M P FB E W E R T U N G strafstoßwürdigen
Kontakt.
In vielen Profiklubs und manchen Medien herrscht Beim Thema Zweikampfbewertung macht der DFB-Lehr-
momentan die Ansicht vor, dass die Unparteiischen zu wart den Unterschied zwischen Versehen und Fahrläs-
häufig und zu schnell auf Strafstoß entscheiden. Der sigkeit deutlich. „Kommt es beispielsweise in einem
Dortmunder Verteidiger Mats Hummels beispielsweise Laufduell, das nicht den Charakter eines Zweikampfs um
schrieb kürzlich auf Twitter: „Mal ein Kommentar von den Ball hat, zu einem ungewollten und unglücklichen
einem Spieler dazu: Es werden viel zu viele Elfmeter Kontakt, durch den einer strauchelt oder fällt, dann han-
gepfiffen. Sowohl bei Handspielen als auch bei angeb- delt es sich um einen Unfall.“ Ein Eingreifen des Schieds-
lichen Fouls (Stichwort ‚Kontakt‘).“ Lutz Wagner lässt richters sei in diesem Fall nicht notwendig, weil kein
das nicht gelten: „Nicht die Gesamtzahl der Strafstöße Vergehen vorliege. „Passiert aber der gleiche Kontakt in
ist entscheidend, sondern die Zahl der unberechtigten“, Erwartung des Balles oder im Kampf um ihn, dann spre-
sagt er. „Wenn einer einen Strafstoß pfeift, der falsch chen wir von Fahrlässigkeit, und die ist strafbar“, erläu-
ist, ist das schlimmer, als wenn einer zehn Strafstöße tert Wagner, der auch noch einmal darauf hinweist, dass
gibt, die alle richtig sind.“ Absicht nicht das alleinige Kriterium für ein Foulspiel ist.
Gleichwohl sei es natürlich richtig, dass nicht jeder Kon- Bei Foulspielen im Bereich von Brust, Hals oder Kopf
takt ein Foulspiel darstelle, es müsse schon ein Verge- wiederum sei in Bezug auf die Persönliche Strafe zu dif-
hen nach Regel 12 vorliegen. „Entscheidend ist letzt- ferenzieren: „Kann der Spieler den Gegner sehen und
lich, ob der Kontakt ausschlaggebend dafür ist, dass der nimmt er das Foul trotzdem billigend in Kauf, indem er
Gegner zu Boden geht oder am Weiterspielen gehindert etwa mit vorgestreckter Sohle zu Werke geht und den
wird“, erklärt Wagner. Das sei beispielsweise in einer Gegner im Brust-, Hals- oder gar Kopfbereich trifft, dann
Szene des Spiels zwischen dem 1. FSV Mainz 05 und ist das brutales Spiel“, so Wagner. In einem solchen Fall Niakhaté beginnt
dem FC Schalke 04 am 7. Spieltag nicht der Fall gewe- bleibe nur die Rote Karte als Persönliche Strafe. „Sieht schon an der
sen: Nach einem Zweikampf im Laufduell zwischen dem er aber den Gegner nicht und agiert er außerdem ball- Strafraumgrenze
Schalker Ozan Kabak und dem Mainzer Philippe Mateta orientiert, dann kann das Foulspiel als rücksichtslos mit dem Halten an
ging der Angreifer der Gastgeber im Strafraum zu Boden, bewertet werden und der Schiedsrichter kann es bei Paciencias Trikot,
das sich später über
der Schiedsrichter entschied auf Strafstoß. Doch ein einer Verwarnung belassen.“ mehrere Meter
Vergehen habe hier nicht vorgelegen, so Wagner. Beide fortsetzt.
Spieler hätten mit den Armen „gearbeitet“ (Foto rechts
oben), auch im Bereich der Beine und Füße sei es „nicht
zu einem Kontakt durch Kabak gekommen, der ursäch-
lich dafür war, dass Mateta gestürzt ist“.
Anders sei es in einer Szene im selben Spiel gewesen,
die keinen Strafstoß nach sich gezogen habe (Foto rechts
unten). Goncalo Paciencia drang mit dem Ball in den
Mainzer Strafraum ein, Moussa Niakhaté hielt und zog
am Trikot des Schalkers, der zunächst weiterlief. Nach-
dem sich das Halten fortsetzte, fiel er aber schließlich
doch. „Auch wenn der Angreifer etwas theatralisch zu
Boden geht, haben wir es hier mit einem klaren Halten
über mehrere Meter zu tun“, macht Lutz Wagner deut-
lich. Das Vergehen sei offensichtlich, auch das müsse