Page 11 - DFB-Schiedsrichterzeitung 03-2019
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          Aber auch sie kann sich als Teil des Fußballs ab 1933   Über das Kriegsgeschehen
          nicht dem Zugriff der nationalsozialistischen Machtha-  berichteten Schiedsrichter-
          ber entziehen. Wie alle anderen Lebensbereiche wird   Kameraden teilweise in Leser-
          der Sport nach und nach „gleichgeschaltet“, das heißt   briefen, die direkt von der Front
          vor allem zentralisiert unter gleichzeitiger Einführung   kamen.
          des Führer-Prinzips. Die selbstständigen Sportverbände,
          in ihren Satzungen demokratisch ausgelegt, werden   Nach wie vor erschien die DSZ
          abgeschafft und als Fachämter in den von den Nazis   zweimal pro Monat. In der Aus-
          gegründeten „Deutschen Reichsbund für Leibesübun-  gabe vom 16. Oktober 1943 fei-
          gen“ (DRL), später „Nationalsozialistischer Reichsbund   ert sie ihren 25. Geburtstag, denn
          für Leibesübungen“ (NSRL), überführt, an dessen Spitze    Koppehel rechnet ja von 1918
          der „Reichssportführer“ die absolute Herrschaft über   aus. Unter der Überschrift „Mei-
          den gesamten Sport ausübt.                  lensteine“ streift er durch die
                                                      25 Jahre und weist nicht ohne
          Felix Linnemann ist folglich nicht mehr DFB-Vorsitzen-  Stolz darauf hin, dass sie „mit
          der, sondern „Reichsfachamtsleiter Fußball“. Und des-  ihrem Rat und mit der Schaffung
          halb lautet der Untertitel der Schiedsrichter-Zeitung nun   der Grundlage für die Schieds-
          „Amtliches Organ für die Schiedsrichter im Fachamt   richterarbeit in jener Zeit mehr
          Fußball des DRL“. Und sie selbst wieder „Deutsche   als 50 Schiedsrichter-Vereini-
          Schiedsrichter-Zeitung“.                    gungen auf die Beine zu stellen
                                                      geholfen“ habe. Mit dieser Jubi-
          Wie bei vielen anderen reinen Fachblättern ist die Spra-  läumsausgabe bricht die Samm-
          che der Schiedsrichter-Zeitung fachbezogen und daher   lung der Schiedsrichter-Zeitun-
          überwiegend frei vom Propaganda-Deutsch der übrigen   gen im DFB-Archiv ab. Allerdings   1975:
          Presselandschaft. Dass Carl Koppehel in vielen Artikeln,   schreibt Koppehel 1958: „Sie musste 1944, als der ,totale   Neues Format (DIN A5)
          die er für andere Publikationen verfasst, dem „Vokabu-  Krieg‘ die letzten wirtschaftlichen Regungen zerstörte,   und ein Foto auf dem
          lar seiner Zeit“ folgt, wie es der Sporthistoriker Erik   ihren Betrieb einstellen.“ Es dürfte also auch 1944 noch   Titel.
          Eggers nennt, lässt sich für die DSZ kaum sagen. Dass   einige Exem plare gegeben haben.
          er Linnemann als „Bundesführer“ bezeichnet, ist eher
          die Ausnahme.                               Wie auch immer: Das Ende des Krieges, die Befreiung
                                                      Deutschlands von der Schreckensherrschaft der Nazis,
          Die Regel sind zeitlose Einsichten wie: „Nichts schadet   der Versuch, die persönlichen Verhältnisse zu ordnen
          der Schiedsrichterleistung mehr als eine laxe Auffas-  und den Wiederaufbau des Landes zu beginnen, ließen
          sung und mangelnde Vorbereitung.“ Oder auch: „Nur   zunächst die Gedanken an den Fußball und die Schieds-
          der Schiedsrichter kann auf Dauer bestehen, der sich   richterei nebensächlich werden.
          bemüht, eine Persönlichkeit zu sein. Darum müssen wir,
          als eine der ersten Aufgaben, aus unseren Schiedsrich-  Aber nicht sehr lange. Am schnellsten ging es mit dem
          tern Persönlichkeiten machen“, eine Aufforderung an   Wiederaufbau der Schiedsrichter-Bewegung in der ame-
          die Ausbilder – Sätze von der Titelseite der Nr. 12 des   rikanischen Zone voran. So entstand im Oktober 1947
          Jahres 1939.                                unter Leitung des süddeutschen Schiedsrichter-
                                                      Obmanns Kurt Müller „Der Schiedsrichter“. Untertitel:
          Koppehel ist seit 1934 hauptamtlich beim Fachamt Fuß-  „Fachzeitung für Fußball-Schiedsrichter“. Unter anderem
          ball beschäftigt, er kümmert sich nicht nur um die   waren Gastbeiträge aus der Schweiz zu lesen, da die
          Schiedsrichter-Zeitung,  sondern gemeinsam mit   süddeutschen Schiedsrichter beim Wiederaufbau der
          Geschäftsführer Dr. Georg Xandry um alle Angelegen-  Strukturen viel Unterstützung von ihren eidgenössischen
          heiten des Fußballs. 1937 wird er zum Reichsschieds-  Kollegen erhielten.
          richter-Obmann bestellt.
                                                      An Tatkraft mangelte es den Männern nicht – aber an
          Im selben Jahr übertrug man ihm auch die Funktion des   Papier. Die Auflage betrug immerhin 8.000 Exemplare.
          Pressechefs. Damit war Carl Koppehel nicht nur zustän-  Und so legten die Stuttgarter eine Beilage mit Rück-
          dig für die DSZ, sondern auch verantwortlich für alle   antwort (heute sagt man „Flyer“) ins Blatt, auf der sie
          anderen Druckerzeugnisse des Fachamts Fußball. Auf   baten, „uns doch Altpapier zuzuschicken“. Für ein Kilo
          die weiterführende Arbeit von Erik Eggers: „Publizist –   – per Post zugeschickt – wurde ein Jahresabo zuge-
          Journalist – Geschichtenerzähler. Der Funktionär und   sagt.
          Schiedsrichter Carl Koppehel als Lehrstück der deut-
          schen Fuß ball his torio gra fie“ sei verwiesen. Er schreibt   Als 1949 der DFB wieder gegründet wurde, übernahm
          darin unter anderem, dass Koppehel „offensichtlich kein   der genannte Kurt Müller den Vorsitz des Schiedsrichter-
          NSDAP-Mitglied gewesen“ ist.                ausschusses. Einer der ersten Beschlüsse war, die
                                                        DFB-Schiedsrichter-Zeitung wieder ins Leben zu rufen,
          Eine übermäßige politische Instrumentalisierung der   die dann am 25. Januar 1950 zum ersten Mal erschien.
          Schiedsrichter-Zeitung kann also nicht konstatiert wer-  Dass der Chefredakteur Carl Koppehel hieß, der seit
          den: Lediglich bei den Anzeigen, beispielsweise für das   Kriegsende am Aufbau des Berliner Fußballs
          Winterhilfswerk, kann auf eine direkte Einflussnahme   we sentlich beteiligt war und bis 1950 dort als Spielaus-
          geschlossen werden, jedoch nicht bei Form und Inhalt.   schussobmann fungierte, war dann nicht so überraschend.
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