Page 23 - DFB-Schiedsrichterzeitung 05-2019
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tion entwickeln und ein Angreifer unmittelbar ein Tor das Stellungsspiel und auch der Überblick über die
erzielen könnte. Nur dann steht die Frage im Raum, ob gesamte Situation müssen stimmen.
der Referee den Bruchteil einer Sekunde warten und
beim Strafstoß den verzögerten Pfiff einsetzen sollte. Hat der Schiedsrichter auf Strafstoß entschieden, muss
er dies mit einem klar hörbaren Pfiff und einer eindeu-
In den beiden Bundesligen und bei internationalen tigen Körpersprache allen am Spiel Beteiligten erkenn-
Spielen haben die Unparteiischen den großen Vorteil, bar machen. Ein zögerliches Pfeifen und ein unent-
dass sie bei Strafraum-Situationen auf die Hilfe der schlossener Laufstil führen zu Kritik und zu verstärktem
Video-Assistenten bauen dürfen. Es zählt ausdrücklich Widerstand. Deutlich und demonstrativ wird der
zu deren Aufgabenbereich, Strafraum-Situationen zu Schiedsrichter deshalb auf den Punkt zeigen. Kommen
überprüfen. Ab der 3. Liga und im Junioren-Fußball die Proteste zu laut, zu unangemessen, dann darf der
dagegen ist der Schiedsrichter der alleinige Entschei- Unparteiische nicht zögern, eine Persönliche Strafe
der – mit allen Konsequenzen. In der Kreisliga wird auszusprechen.
keine Kamera die Rechtmäßigkeit seiner Entscheidung
später auflösen können, weder positiv noch negativ. Auch die anschließende Ausführung von der Strafstoß-
marke hat der Schiedsrichter mit der nötigen Übersicht
In der Lehrarbeit der Schiedsrichter ist eine wichtige in ihrem Ablauf zu überwachen. Denn er trägt die Ver-
Aussage im Zusammenhang mit dem Thema Strafstoß antwortung dafür, dass der Strafstoß den Regeln ent-
die Vorgabe: „Sicherheit vor Schnelligkeit“. Wenn der sprechend ausgeführt wird. Das bedeutet für den
Unparteiische auf Strafstoß entscheidet, muss er abso- Unparteiischen, dass er dem eindeutig erkennbaren
lut überzeugt sein. Schützen erst dann mit dem Pfiff das Zeichen zur Aus-
führung gibt, wenn alle regeltechnischen Vorausset-
Schwierig wird es für den Referee, wenn sich ein Zwei- zungen erfüllt sind. Anschließend muss der Referee
kampf unmittelbar an der Strafraumgrenze abspielt. das Verhalten von Schütze, Torwart und weiteren Spie-
Selbst wenn ein Angreifer noch vor der Strafraumli- lern im Blick halten und den Strafstoß bei einem regel-
nie gefoult wird, kommt er oftmals erst einige Meter widrigen Ablauf gegebenenfalls wiederholen lassen
innerhalb des Sechzehners zu Fall. Im Schiedsrichter- (siehe Kasten).
Team können in solch einer Situation die neutralen
Assistenten an der Linie helfen. Sie haben von ihrer Im DFB-Lehrbrief Nr. 86 sprechen die Verfasser Mög-
seitlichen Position am Spielfeldrand die beste Sicht lichkeiten an, wie die Schiedsrichter in Kleingruppen am
auf die entscheidende Markierungslinie. Ist der Refe- Thema Strafstoß arbeiten können. Die Vermittlung des
ree dagegen allein im Einsatz, kann er seine Entschei- Basiswissens und der aktuellen Regeländerungen bezüg-
dung nur dann glaubwürdig vertreten, wenn er den lich des Torwartspiels bei der Strafstoß-Ausführung ste-
Ablauf aus der Nähe beobachtet hat. Die Laufwege, hen im Mittelpunkt des Lehrmaterials.
Die Höherwertigkeit zählt
Um in der Hektik des Spiels nicht den Überblick zu verlieren, braucht ein Schiedsrichter Leitlinien, an denen
er sich in Stress-Situationen orientieren kann. Für die Strafstoß-Ausführung rät DFB-Lehrwart Lutz Wagner dazu,
die möglichen „Sünder“ bei Vergehen in ihrer Höherwertigkeit darzustellen. Das sind demnach:
1. Der ausführende Schütze (wird bei einem Vergehen immer verwarnt)
2. Der Torwart (wird nur verwarnt, wenn sein Vergehen „zum Erfolg“ führt)
3. Weitere Spieler (werden nie verwarnt)
Hat der Schiedsrichter bei der Strafstoß-Ausführung das Fehlverhalten mehrerer dieser Beteiligten erkannt,
muss er überlegen, wer in der Situation „Gelb“ bekommt. Dieses ist dann das höherwertige Vergehen, nach
dem sich die Spielstrafe richtet.
Drei Beispiele:
• Der Schütze täuscht, der Torwart bewegt sich zu früh, der Ball geht ins Tor.
Entscheidung: Das Verhalten des Torwarts blieb ohne Erfolg, also bekommt nur der Schütze „Gelb“. Sein Ver-
gehen ist demnach höherwertig und es gibt einen indirekten Freistoß gegen den Schützen.
• Der Schütze täuscht, der Torwart bewegt sich zu früh und wehrt den Ball ab.
Entscheidung: Beide Spieler bekommen „Gelb“ (gleichwertig), also gibt es eine Wiederholung des Straf-
stoßes.
• Der Schütze täuscht, die Verteidiger laufen zu früh in den Strafraum, der Ball geht ins Tor.
Entscheidung: Der Schütze bekommt als Einziger „Gelb“ (höherwertig), deshalb indirekter Freistoß gegen den
Schützen.