Page 31 - DFB-Schiedsrichterzeitung 06/2019
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dessen Idealismus durch den englischen Fairplay-Gedan- Wochenende, kam er mitten in der Nacht zu Hause an.
ken und von einer spürbaren Empathie geleitet wurde. Nur wenig später – 3.30 Uhr lautet der Eintrag auf sei-
ner Sterbeurkunde – blieb Simon Rosenbergers Herz
Rosenbergers Herzensangelegenheit blieb die Verein- stehen. Er wurde nur 46 Jahre alt und hinterließ seine
heitlichung der Regelauslegung im ganzen Bund. Dafür Frau Charlotte Margareta sowie zwei Kinder.
setzte er sich bereits Anfang der 1920er-Jahre als Vor-
standsmitglied im Verbands-Schiedsrichterausschuss Dass Simon Rosenberger mit seinem unermüdlichen
des Süddeutschen Fußball-Verbandes ein und schließ- und pausenlosen Einsatz seine Gesundheit aufs Spiel
lich im Bundes-Schiedsrichterausschuss. Unterschiedlich setzte und sie dann auch verlor, verwundert letztlich
ausgelegt wurden in den Landesverbänden zum Beispiel nicht. „Seit langem war er krank, aber er wollte sich nicht
Regelübertretungen der Torhüter sowie vor allem das fesseln lassen“, hieß es im Nachruf „seiner“ DFB-Schieds-
faire Sperren und das unfaire Rempeln, das Anfang der richter-Zeitung. Als finanziell verantwortlicher Heraus-
20er-Jahre in Deutschland aus mangelnder Regelkennt- geber hatte er bereits Anfang 1931 die finanzielle Unter-
nis vieler Schiedsrichter falsch beurteilt wurde. Außer- stützung des Berliner Kurt-Stoof-Verlags suchen müssen;
dem ging es Rosenberger besonders um das Erkennen den Posten als Chefredakteur gab er im Juli 1931 ab,
und die Bestrafung von „versteckten“ Fouls. sicher aus Gesundheitsgründen, um nur noch „Mitar-
beiter“ zu sein. Damit aber war ihm, der ganz auf das
Ende der 1920er-Jahre wurde er vom DFB – wie schon Projekt Schiedsrichter-Zeitung gesetzt hatte, wohl die
erwähnt – mit der „Eindeutschung“ der „Laws of the finanzielle Grundlage entzogen.
Game“ beauftragt: Übersetzung, Auslegung, Bekannt-
machung durch Vortragsreisen. So hielt er 1926, 1927,
1928 und 1931 jeweils vierstündige Vorträge im Süd-
deutschen Fußball-Verband (in Südhessen, Rheinhessen
Unterfranken, Bayern, Schwaben und im Rhein-Main-
sowie im Rhein-Neckar-Raum), 1926 und 1927 im Ver-
band Mitteldeutscher Ballspiel-Vereine (in Nordhessen,
Thüringen, Oberfranken, Sachsen und Anhalt) sowie
1930 auch im Norddeutschen Fußball-Verband (in Nie-
dersachsen und Mecklenburg).
Simon Rosenberger setzte sich außerdem für die Ein-
führung des sogenannten Mantelgesetzes für die
Schiedsrichterorganisation des DFB ein, das gemein-
same Grundlagen für das Schiedsrichterwesen in den
Landesverbänden schuf, auf denen dann jeder Verband
nach eigenen Bedürfnissen aufbauen konnte. Es wurde
1925 noch von manchen Landesverbänden, die um ihre
Eigenständigkeit fürchteten, geblockt, 1926 auf dem
Bundestag dann doch angenommen, aber erst ab dem
1. Dezember 1928 von allen Verbänden akzeptiert. Simon Rosenberger
Dafür spricht, dass der „Kicker“ neben der Erinnerung (Vierter von links)
Wichtig war Rosenberger außerdem, Strukturen für einen an Rosenbergers Verdienste um den Fußballsport noch im September 1931
regelsicheren Schiedsrichternachwuchs zu schaffen einen Schritt weiter ging und seine Leser aufforderte, während seiner
letzten Tagung
sowie eine gute Zusammenarbeit von Schiedsrichtern Rosenbergers Familie zu unterstützen. Und so endet mit den leitenden
mit Vereinen, Spielern, Behörden und der Presse. Gerade dann auch das einleitend erwähnte Zitat Walther Ben- Schiedsrichter-
mit der Berichterstattung über Schiedsrichterleistungen semanns nicht mit: „Wir schuldigen ihm mehr als ein Funktionären
gab es Mitte der 20er-Jahre noch mancherlei Ärger, der gutes Gedächtnis!“, sondern geht weiter: „Simon Rosen- des DFB und der
meist aus mangelndem Regelwissen der Journalisten- berger starb in bitterer Not, als einer der vielen Ent- Landesverbände in
Frankfurt am Main.
Kollegen Rosenbergers resultierte. Der Bundesausschuss täuschten von der traurigen Gegenwart. Zwei Kinder
– sprich Rosenberger – begann daraufhin, bei möglichst beweinen ihren dahingegangenen, sorgenden Vater,
allen sachlich falschen Schiedsrichterbewertungen der eine Gattin, stets bestrebt, ihrem Mann des Lebens Bürde
entsprechenden Zeitung eine Richtigstellung zukom- zu erleichtern, steht vor dem Nichts. Sollten wir nicht
men zu lassen – mit einigem Erfolg, wie die Schieds- alle, die wir den guten Simerl lange gekannt und geschätzt
richter bald merkten. haben, ein wenig daran mithelfen, eine kleine Dankes-
schuld an der richtigen Stelle abzutragen?“
Für ein zweitägiges Treffen des Bundes-Schiedsrich-
terausschusses mit den Schiedsrichterdezernenten der Ob es geholfen hat? Wir wissen es nicht.
Landesverbände reiste Simon Rosenberger am 5. Sep-
tember 1931 nach Frankfurt am Main. Er hielt das Simon Rosenbergers Bedeutung für die Schiedsrichter-
Hauptreferat des Treffens, debattierte und gab Anre- bewegung in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhun-
gungen. derts kann man nicht überschätzen. Und es ist keine
unrealistische Behauptung, dass er mit seinem Engage-
Am Abend des 6. September fuhr Simon Rosenberger ment und seiner Wirkung auf einer Stufe mit Schiedsrich-
zurück nach Köln. Erschöpft nach dem anstrengenden ter-Pionieren wie Carl Koppehel und Peco Bauwens steht.