Page 28 - DFB-Schiedsrichterzeitung 06/2019
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SIMON ROSENBERGER –
DER VERGESSENE PIONIER
Konrad Koch, Walther Bensemann,
Peco Bauwens oder Carl Koppehel –
Namen, die den deutschen Fußball
bis zum Beginn des Profi-Zeitalters
prägten. Ein Mann, der un bedingt in
diese Reihe gehört, blieb nahezu
unbekannt. Das hatte Gründe.
TE X T r war das, was man gemeinhin einen Mann der durch die Nationalsozialisten Anfang 1933 mit ihrer Ver-
Petra Tabarelli ersten Stunde nennt: Als der DFB auf seinem Bun- dammung und späteren Vernichtung alles Jüdischen
E destag 1924 in Berlin die Bildung eines Bundes- dazu beigetragen hat, das Werk und die Persönlichkeit
Schiedsrichterausschusses beschloss, wurde der 39-jäh- Simon Rosenbergers dem Vergessen anheimfallen zu
rige Simon Rosenberger in das zunächst dreiköpfige lassen, ist sicher nicht zu bestreiten.
Gremium gewählt. Er wirkte dort bis zu seinem tödlichen
Herzinfarkt am 7. September 1931. Es ist also längst an der Zeit, diesen Pionier des Schieds-
richterwesens fast 90 Jahre nach seinem Tod zu würdigen.
In den zahlreichen Nachrufen wurde Simon Rosenber-
ger als außerordentlich tüchtiger Funktionär und immer „39 Jahre alt, Redakteur des ‚Kicker‘. Im Sport tätig seit
hilfsbereiter Mensch gewürdigt. Er war unerreicht im 1895, erst im Eislauf- und Schwimmsport, dann Ruderer,
Wissen um die Fußballregeln und ihre Auslegung und Segler, Skiläufer und schließlich Fußballer. Infolge nicht
beliebt als Redner, der es verstand, die oft trockene ausrottbarer Korpulenz brachte ich es in der Aktivität
Materie der Regeln bei seinen unzähligen Vorträgen im niemals zu besonderen Leistungen (bis auf das Dauer-
ganzen Land kurzweilig, fesselnd, aber auch immer von schwimmen, aber das fiel mir nach dem archimedischen
der nötigen Sachlichkeit geprägt darzustellen. Prinzip nicht schwer). Dagegen konnte ich in allen Sport-
arten sehr bald theoretisch mitsprechen und -schreiben,
Walther Bensemann, einer der großen Pioniere des deut- aus welchem Grunde ich seit meinem 15. Lebensjahre
schen Fußballs, schrieb als Chefredakteur des „Kicker“ über in Vereins- und Verbandsausschüssen ‚mein Licht leuch-
Rosenberger: „Gerade dieses Bild des immer Unermüdli- ten lassen konnte‘. Als Schiedsrichter glaube ich, mit
chen wird wohl nachhaltender als alle andren in unserem meinem Regelkommentar dem Schiedsrichterwesen und
Gedächtnis haften bleiben. Hatte er sich doch gänzlich meinen Kollegen am meisten gedient zu haben. Wie viel
dem Sport verschrieben, hatte mitgeholfen an dessen Aus- Spiele ich im Ganzen geleitet habe, kann ich beim bes-
bau und teilgenommen an der Freude des Gelingens. Wir ten Willen nicht angeben; es waren gute dabei und es
schuldigen ihm mehr als ein gutes Gedächtnis!“ waren schlechte darunter, wie bei jedem. Nur den Kopf
nicht hängen lassen! In alter Frische weiter!“
Die DFB-Schiedsrichter-Zeitung, mit der er auf beson-
dere Weise verbunden war, gedachte Rosenbergers auf So beschrieb sich Simon Rosenberger 1924 selbst in
ihrer Titelseite der Ausgabe vom 15. September 1931 einem Porträt verschiedener deutscher Schiedsrichter
und prophezeite: „Sein Name wird in den Kreisen der im „Kicker“.
Schiedsrichter nicht so schnell vergessen werden.“ Doch
Simon Rosenberger im genau das geschah, der Deutsche jüdischen Glaubens Aufmerksamen Lesern ist Simon Rosenberger nicht mehr
Jahr 1921. wurde nicht mehr erwähnt. Dass die Machtübernahme gänzlich unbekannt. In der DFB-Schiedsrichter-Zeitung