Page 30 - DFB-Schiedsrichterzeitung 06/2019
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Geld bezahlen, das durch Abonnements und Anzeigen
in seiner Kasse landete.
Seinen Zeitgenossen war er als brillanter Redner und
exzellenter Experte der Spielregeln bekannt, der die
Zuhörenden mit der trockenen Materie der Fußballre-
geln begeistern und fesseln konnte. Er übernahm in
zahlreichen Vereinen, Verbänden und Ausschüssen
ehrenamtliche Verantwortung, immer idealistisch, aber
nie unrealistisch. Das gebot ihm wohl schon seine Tätig-
keit als Journalist des „Kicker“.
Als der Westdeutsche Spiel-Verband (W.S.V.) Anfang
1922 jede Art von finanziellem Ausgleich – ob Lohn-
ausfall oder ausgelegte Spesen – untersagte, würdigte
Simon Rosenberger diese ehrenwerte Haltung, beschrieb
sie im „Kicker“ aber im gleichen Satz als völlig realitäts-
fern: Die führenden Personen im „W.S.V. sind Idealisten
vom reinsten Wasser, deren Wollen schön und edel ist.
Aber aus diesem Wollen blickt so viel Weltfremdheit,
Nach Köln war Rosenberger gekommen, dass man darüber staunen muss“.
weil er dort am 1. März 1925 die Auf-
gabe als Chefredakteur der Zeitung Bereits ein paar Wochen zuvor äußerte sich Simon Rosen-
„Westdeutscher Sport“ übernahm. In berger ebenfalls im „Kicker“ zum Thema Profifußball:
Rosenbergers
Schiedsrichter- dieser Zeit unterbreitete er dem DFB, der mit dem zu „Der kontinentale Fußballsport ist an einem Wende-
„Bibel“ erschien der Zeit oft unregelmäßigen Erscheinen der „Deutschen punkt angelangt. Es hat keinen Zweck und keinen Sinn,
1923 und erreichte Schiedsrichter-Zeitung“ haderte und deshalb gern eine sich dies zu verheimlichen. Wohin der Kurs geht, kann
bis 1935 insgesamt eigene Schiedsrichterzeitung publizieren wollte, ein keinem unklar sein, der mit offenen Augen um sich sieht.
22 Auflagen. Es war ein Angebot. Die Entscheidung zog sich aber in die Länge Es liegt nicht mehr in der Macht der Männer am Steuer,
wahres Standardwerk.
und Rosenbergers Engagement beim „Westdeutschen das Schiff gegen den Sturm zu führen. Es wäre aber auch
Sport“ ging schneller zu Ende als gedacht. Im Novem- unheilvoll, das Schiff ganz dem Sturm zu überlassen.“
ber 1925 wurde die Zeitung eingestellt. Rosenberger Gemeint war, dass die Einführung des bezahlten Fuß-
erneuerte sein Angebot – diesmal erfolgreich, denn der ballers unumgänglich sei, der DFB dabei aber nicht völ-
DFB beauftragte ihn mit der redaktionellen Betreuung lig abseits stehen dürfe.
und Herausgabe des „amtlichen Organs der Schieds-
richter des Deutschen Fußball-Bundes“. Auf Ungerechtigkeiten reagierte Rosenberger gern mit
sarkastischen Kommentaren im „Kicker“. Ein Beispiel
Rosenberger ging ins Risiko: „Die DFB-Schiedsrichter- aus dem Jahr 1922: Am ersten Sonntag der österlichen
Zeitung soll für mich meine Existenz werden“, schrieb Fastenzeit (evangelischer Landesbußtag) fand ein Aus-
Mit Zeichnungen er in der ersten Ausgabe, die am 14. Januar 1926 erschien. wahlspiel zwischen einer Mannschaft des Kreises Würt-
verdeutlichte Er war also nicht nur für den redaktionellen Inhalt ver- temberg gegen eine des Kreises Nordmain statt. Trotz
man damals die antwortlich, sondern auch für die finanziellen Belange. wochenlanger Werbung wurde diese Partie erst einen
Regelauslegung – hier Druck, Vertrieb, Werbung – alles musste er von dem Tag vorher mit Verweis auf den Feiertag verboten. Da
in Sachen Einwurf.
dennoch gespielt wurde, wurden die beteiligten Perso-
nen verurteilt, insbesondere der Vorsitzende des Gaues
Stuttgart, Knabe, der von der Kreisbehörde mit der Durch-
führung des Auswahlspiels beauftragt worden war.
Unter der Überschrift „Ein Schwabenstreich“ schreibt
Rosenberger dazu: „Wer lacht da? Bitte, das ist kein April-
scherz! Das ‚Urteil‘ trägt das Datum des 4. und nicht das
des 1. April!“ Und weiter: „23 Leute haben also dadurch,
dass sie sich am evangelischen Landesbußtag in Gottes
freier Natur auf dem Rasen tummelten, und ein Mann
dadurch, dass er dies duldete, die Feier des Sonn- und
Festtages gestört? Wo ist der Mann, der pflichtschul-
digst daran Ärgernis nahm? Her mit ihm, dass wir ihn
aushauen können – in Stein und Erz natürlich!“
Solch bissige Kommentare kamen aber selten vor. Grund-
sätzlich wurde er als freundlicher, liebenswürdiger, humor-
voller und hilfsbereiter Mann charakterisiert, der bei allen
Menschen beliebt war. Seine Artikel zeichnen das Bild
eines durchaus tiefgründig analysierenden Journalisten,