Page 29 - DFB-Schiedsrichterzeitung 06/2019
P. 29

29




 SIMON ROSENBERGER –   3/2019 erwähnten Lutz Lüttig und David Schmidt ihn   Anfang April 1920 begann Walther Bensemann, der
                                                      „Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte“, als
          in ihrer Titelgeschichte „100 Jahre DFB-Schiedsrichter-
                                                      den ihn sein Biograf Bernd M. Beyer bezeichnete, für
          Zeitung“. Denn Rosenberger begründete 1926 die
 DER VERGESSENE PIONIER    DFB-Schiedsrichter-Zeitung, die dann fünf Jahre lang   Seybolds „Fußball“ zu schreiben – allerdings nur für ein
          parallel zu Carl Koppehels DSZ („Deutsche Schiedsrich-
                                                      paar Wochen, da sich Seybold und Bensemann über-
          ter-Zeitung“) erschien, bevor die beiden Publikationen
                                                      warfen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt lernten sich
          nach Rosenbergers Tod vereinigt wurden.     Bensemann und Rosenberger kennen und augenschein-
                                                      lich auch schätzen. Denn der zwölf Jahre ältere Bense-
          Aber das war nicht die einzige Tätigkeit, durch die er in   mann gründete nach seinem kurzen Intermezzo beim
          Fußball- und Schiedsrichterkreisen bekannt und beliebt   „Fußball“ eine eigene Sportzeitschrift und holte Rosen-
          geworden war. In seiner eingangs erwähnten Selbstbe-  berger dazu. Der „Kicker“ erschien erstmals am 14. Juli
          schreibung sprach er von seinem Regelkommentar und   1920. Rosenberger folgte Bensemann nach Konstanz,
          meinte damit das Buch „Der Schiedsrichter“, das er 1923   später nach Stuttgart. Der erste Artikel Rosenbergers,
          mit dem Journalisten und Schiedsrichter-Kollegen Alwin   der seinen Namen trägt, erschien am 7. November 1921.
          Hofschneider verfasste. Es hatte allein in seinem Erschei-  Er war als Redakteur auch für die aus ganz Deutschland
          nungsjahr fünf Auflagen, 1935 erschien die 22. Auflage.   eingeschickten Berichte zuständig und damit quasi die
                                                      rechte Hand von Walther Bensemann. Das blieb er bis
          Die DFB-Schiedsrichter-Zeitung nannte es in ihrem Nach-  zu seinem Weggang Ende Februar 1925.
          ruf zu Rosenbergers Tod das „Fachbuch unserer Bewe-
          gung“, ein „bleibendes Denkmal“.            Dass er in dieser Zeit ein führendes Mitglied im Vorstand
                                                      der Stuttgarter Schiedsrichtergruppe war, im Verbands-
          Simon Rosenberger wurde am 4. Februar 1885 in Mün-  Schiedsrichterausschuss des Süddeutschen Fußball-Ver-
          chen geboren. Er war wie seine Eltern Max und Eva Deut-  bandes als Beisitzer fungierte und zudem der Stenograf
          scher jüdischen Glaubens. Der Vater war Kaufmann,   des Süddeutschen Fußball-Verbandes war, versteht sich
          weshalb die Ausbildung zum Buchhalter für den jungen   bei der Lebens- und Arbeitseinstellung und der Liebe
          Simon sicher nicht von ungefähr kam.        zum Sport bei Rosenberger praktisch von selbst.
          Rosenbergers Aktivitäten für den Fußball werden nach   Das war auch in Köln nicht anders, wo er ab 1925 mit
          dem Ersten Weltkrieg quellenkundlich belegbar: Als   seiner Familie im Stadtteil Lindenthal lebte. Er wurde
          Experte für Fußballregeln und ihre Auslegung schrieb   schnell Mitglied im Schiedsrichterausschuss des W.S.V.
          der Buchhalter ab spätestens 1918 nebenbei für die   (Westdeutscher Spiel-Verband) und war bereits im Bun-
          renommierte Fußballzeitschrift „Fußball“ von Eugen   des-Schiedsrichterausschuss des DFB. Er kümmerte sich
          Seybold. Im gleichen Jahr gründete sich die Münchner   federführend um die Übersetzung des offiziellen Fuß-
          Schiedsrichtervereinigung mit 70 Interessenten am   ball-Regelwerks „Laws of the Game“ ins Deutsche sowie
          26. April im „Roten Hahn“. Simon Rosenberger wurde   dessen Auslegung, die er bei seinen zahlreichen Vor-
          ihr erster Vorsitzender, Eugen Seybold der Schriftführer.   trägen dann auch öffentlich vorstellte.




          AB   1933 NI CHT  ME HR  E RWÄHNT




          Das außerordentlich verdienstvolle   1933 bis in die Gegenwart nirgendwo mehr
          11-Freunde-Sonderheft „Verlorene Helden“,   Erwähnung  fanden,  ist  auf  seine  Weise
          das in Zusammenarbeit mit der DFB-Kultur-  bezeichnend und Grund genug, Simon
          stiftung 2014 entstand, führt Kurzbiografien   Rosenbergers Spuren zu folgen, um ihm
          von 192 Juden auf, die prägend für die Ent-  damit wenigstens heute Dank abzustatten.
          wicklung des deutschen Fußballs waren.
          Unter ihnen befindet sich auch der 1885 in   Wir wissen nicht, was aus seiner Frau und
          München geborene Schiedsrichter-Funkti-  seinen beiden Kindern geworden ist; seine
          onär Simon Rosenberger.             Mutter Eva, Witwe seit 1911, wurde am
                                              10. Juni 1942 aus einem Zwangsarbeiterla-
          Wie es im 11-Freunde-Editorial angeregt   ger in München-Milbertshofen in das KZ The-
          wurde, ist die Historikerin und Stadtarchiv-  resienstadt deportiert und dort am 11. Juli
          Leiterin Petra Tabarelli für die Schiedsrichter-  von den Nazis ermordet.
          Zeitung Rosenbergers Schicksal nachgegan-
          gen. Zwar hat er das Terror-Regime der Nazis     Das 11-Freunde-Sonder-
          nicht mehr unmittelbar miterleben müssen         heft kann man als pdf
          (er starb 1931 mit 46 Jahren), aber allein die   herunterladen:
                                                           http://services.11freunde.de/
          Tatsache, dass seine großen Verdienste um        download/148_verlorenen_
          die deutsche Schiedsrichterbewegung von          helden_ES.pdf
   24   25   26   27   28   29   30   31   32   33   34