Page 7 - DFB-Schiedsrichterzeitung 05-2020
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          Sie haben die Beobachtungsnoten, die es bisher für   in der Bundesliga im Einsatz, vor drei Jahren waren es
          jedes Spiel gab, abgeschafft und durch fortlaufende   noch 16. Auf internationaler Ebene ist das übrigens gang
          Leistungsprofile  ersetzt.  Ist  die  Rückstufung  von   und gäbe. Felix Brych ist bei internationalen Partien ein-
          Robert Kampka in die 2. Liga ein Ergebnis dieser neuen deutig spezialisiert als Schiedsrichter, Bastian Dankert
          Herangehensweise? Und umgekehrt auch der Aufstieg   zum Beispiel ist auf dieser höchsten Ebene eindeutig
          von Florian Badstübner in die Bundesliga?   spezialisiert als Videoassistent.
          Ja. Die saisonübergreifenden Profile ermöglichen uns
          eine bessere Auswertung der erbrachten Leistungen
          über längere Zeit, und daran ließ sich deutlich ablesen,
          wer in der Bundesliga in den letzten zwei Jahren nicht  „Natürlich geht immer eine Menge
          so gut zurechtkam. Darüber hinaus konnten wir auch
          erkennen, wer sich in den letzten Jahren in der 2. Bun- Erfahrung verloren.“              Lutz Michael Fröhlich
          desliga stark entwickelt hat. Bei der Entscheidung für
          die jährlichen Schiedsrichterlisten haben wir die Aspekte
          individuelle Perspektive und Leistungsentwicklung, aber   Mit Manuel Gräfe, Markus Schmidt und Guido Wink-
          auch die Perspektive für die Kaderentwicklung zu berück-  mann erreichen drei sehr erfahrene Schiedsrichter im
          sichtigen. Drei starke Schiedsrichter aus der 2. Bundes-  kommenden Sommer die Altersgrenze von 47 Jahren
          liga werden im nächsten Jahr auch in der Bundesliga   und müssen deshalb aufhören. Ist eine solch starre
          eingesetzt: Florian Badstübner, Dr. Matthias Jöllenbeck   Regelung denn überhaupt noch zeitgemäß?
          und Tobias Reichel. Florian gehört dabei künftig auch   Das ist und bleibt ein schwieriges Thema, zu dem es
          fest zum Team der Bundesliga. Anders als früher – Stich-  Argumente für eine Beibehaltung und für eine Aufhe-
          wort: Proporz – müssen und können wir jetzt auch nicht   bung gibt. Ganz früher lag die Altersgrenze bei 50, heute
          mehr Rücksicht darauf nehmen, ob die Regionalver-  bei 47, international bei 45 Jahren. Für diese altersmä-
          bände personell genügend berücksichtigt werden. Ent-  ßige Festlegung gibt es eigentlich keine nachvollzieh-
          scheidend ist die Leistungsentwicklung.     bare allgemeingültige Begründung. Eine Überlegung
                                                      war dabei sicher und auch zu Recht, den notwendigen
          Natürlich kommen Sie auch in diesem Interview nicht   Verjüngungsprozess nicht zu vernachlässigen. Natürlich
          um die Problematik der Handspiel-Bewertung herum.   geht immer, wenn jemand ausscheidet, eine Menge
          Nehmen wir das Beispiel Daniel Ginczek, dessen Kopf-  Erfahrung verloren. Andererseits sind die körperlichen
          balltor für den VfL Wolfsburg gegen den SC Freiburg   und mentalen Anforderungen heute so hoch, dass es in
          zurückgepfiffen wurde, was in dieser Ausgabe auf   diesem Alter zunehmend schwieriger wird, dem immer
          Seite 17 analysiert wird. Mit einer solchen Regelbe-  höheren Tempo des Spiels zu folgen. Man weiß manch-
          stimmung wird doch der Sinn des Spiels, nämlich Tore   mal gar nicht, ob das nun spurtstarke Fußballer sind
          zu erzielen, ad absurdum geführt.           oder nicht eher gut ausgebildete Sprinter, die sehr gut
          Ich kann verstehen, wenn sich die Geister an dieser   mit einem Ball umgehen können.
          Neuregelung scheiden, aber für den Unparteiischen
          ist es letztlich eine Erleichterung. Denn er muss sich
          bei einem Handspiel eines Angreifers unmittelbar vor
          einer Torerzielung keine Gedanken mehr über Absicht
          oder Nicht-Absicht machen, sondern kann, ohne zu
          zögern, auf Freistoß entscheiden. Am Ende ist diese
          Regelbestimmung auch das Ergebnis unendlicher
          Diskussionen und der immer größeren Detailverses-
          senheit im Fußball. Ob diese Kleinteiligkeit den Bestim-
          mungen dem Fußballspiel auf Dauer guttut? Schwie-
          rig zu sagen.
          Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Dort soll die
          Spezialisierung der jeweiligen Aufgaben eine immer
          größere  Rolle  spielen.  Sprich:  Schiedsrichter  ist
          Schiedsrichter,  Assistent  ist  Assistent  und  der
          Videoassistent sitzt tatsächlich nur noch vor dem
          Bildschirm. Was erhoffen Sie sich von diesen neuen
          Jobprofilen?
          Eine Verbesserung in der Arbeit unserer Unparteiischen.
          Die drei von Ihnen genannten Aufgabenbereiche unter-
          scheiden sich sehr voneinander, Stichwort körperliche
          Belastung oder Entscheidungshoheit. Der Schiedsrich-
          ter ist der klare Teamleiter – mit all den dazugehörigen
          Aufgaben. Er muss sich auch ganz anders bewegen auf
          dem Spielfeld. Insofern halte ich diese Spezialisierung                                  Zum Interview traf die
          für den richtigen Weg. Schon jetzt macht sich der Wan-                                   Schiedsrichter-Zeitung
                                                                                                   „LMF“ am Zeltinger
          del bemerkbar: In der vergangenen Saison waren nur                                       Platz in Berlin-
          noch neun Zweitliga-Schiedsrichter auch als Assistenten                                  Frohnau.
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