Page 11 - DFB-Schiedsrichterzeitung 05-2020
P. 11
11
Sowohl Frauen- als
auch Männer-Team
durften sich nach
dem Schlusspfiff
über die gelungenen
Spielleitungen freuen.
direkt nach dem Schlusspfiff nicht mehr übertragen zu
werden. Kurz vor der Siegerehrung erfahren die Unpar-
teiischen von enttäuschten Spielerinnen, dass die ARD
die Pokalübergabe nur im Online-Livestream zeigt. Das,
sagt Annika Paszehr, sei schon sehr schade gewesen.
Wie auch die ausbleibende Feier in den Katakomben.
Das Gespann war vorab darüber informiert worden, das
Stadion zeitig zu verlassen. Nur mit viel Geschick lan-
den vier Bierflaschen in der Kabine, um zumindest kurz
auf die einwandfreie Leistung anzustoßen. Den Abend
lassen die Schiedsrichterinnen samt Anhang in einem
Kölner Brauhaus ausklingen.
„Jungs, besser wird es heute nicht mehr werden“, ruft
Tobias Welz auf dem Weg ins Olympiastadion und meint
den gemeinsamen Karrierehöhepunkt. Neben seinen
beiden Assistenten Thomsen und Foltyn gehört auch
sein guter Freund Patrick Ittrich als Vierter Offizieller
zum Team. Besser wird es nicht – Corona und dem Geis-
terfinale zum Trotz. Doch während Welz das Prozedere
vor dem Anstoß trotz leerer Ränge genießen kann, kann
sich Martin Thomsen eines merkwürdigen Gefühls
nicht erwehren, während kurz vor acht die National-
hymne durch die riesige Betonschüssel hallt. In den
letzten 48 Stunden ist ihm exakt ein Fußball-Fan über
den Weg gelaufen – ein kleiner Junge im Bayern-Trikot.
Schon merkwürdig, wenn man bedenkt, dass Berlin an
einem normalen Finalwochenende von 100.000 Fuß-
ball-Fans geflutet wird.
Die Partie selbst verläuft zwar nicht so spektakulär wie
bei den Frauen, aber gerade die Sieger aus München
stellen die Unparteiischen mit ihrer extrem hohen Ver-
teidigung und dem blitzschnellen Umschaltspiel auf die nern werden. In Reminiszenz an den einstigen DFB-Lehr-
Probe. Das Team löst diese Aufgabe auch deshalb feh- wart Hans Ebersberger schenkt Ittrich den Kollegen
lerfrei, weil die kuriose Corona-Situation spätestens mit Campari-O ein, die Musik und die gute Stimmung aus der
dem Anpfiff keine Rolle mehr spielt und die Konzentra- Schiri-Kabine locken auch den ein oder anderen Spieler
tion einzig und allein dem Spielverlauf gilt. „Bei so einer an, um mit den Schiedsrichtern anzustoßen.
Partie“, sagt Welz, „muss man als Schiedsrichter-Team
in der Lage sein, die Zuschauer – oder eben die nicht Und so geht dieser historische Pokalfinaltag zu Ende.
vorhandenen Zuschauer – auszublenden.“ Im Kölner Brauhaus und in der Schiedsrichterkabine des
Berliner Olympiastadions feiern die Unparteiischen ihre
Als dann alles vorbei ist, dürfen die Unparteiischen durch Leistungen in zwei Endspielen, die zwar ohne Zuschauer
ein Spalier der Bayern-Profis schreiten, um die Medaillen auskommen mussten, dafür aber ganz viel Fußball zu
entgegenzunehmen. Kurz darauf eröffnet Patrick Ittrich bieten hatten. Und stoßen darauf an, dass in einem Jahr
eine Kabinenparty, an die sich alle Teilnehmer gerne erin- hoffentlich wieder alles beim Alten ist.