Page 25 - DFB-Schiedsrichterzeitung 03-2019
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          meisterschaften nun nicht mehr vor. Bei solchen Spie-  Mit seiner ganzen Persönlichkeit, einer klaren Körper-
          len werden die Übeltäter inzwischen mithilfe der Fern-  sprache und sicherer Rhetorik muss er nun einschreiten.
          sehbilder entlarvt.                         Es gehört zu seinen primären Aufgaben, den Respekt
                                                      für seine Entscheidungen einzufordern und die Gesund-
          Die große Mehrzahl der Unparteiischen aber hat die   heit der Spieler gegen unfair vorgehende Spieler zu
          Möglichkeit des Videobeweises nicht. Bei ihren Spiel-  schützen. Und zu einem souveränen Auftreten gehört
          leitungen können sie nur das bestrafen, was sie selbst   auch das konsequente Aussprechen von Disziplinarstra-
          oder ihre Assistenten sehen. Dabei müssen die Unpar-  fen.
          teiischen im Amateurfußball ihre Spiele oft sogar ohne
          neutrale Helfer an der Linie leiten und die Spielstrafen   Wichtige Hilfen für junge Referees bei ihren ersten Spiel-
          wie die Persönlichen Sanktionen ausschließlich anhand   leitungen können erfahrene Schiedsrichter sein, die die
          ihrer eigenen Wahrnehmung aussprechen.      Aufgaben von Paten übernehmen. Wird diese Unter-
                                                      stützung von Schiedsrichter-Neulingen versäumt,
          Hinzu kommt, dass Gewalt unter den Spielern längst   besteht die Gefahr, dass sie schon nach den ersten Spie-
          nicht mehr zur Ausnahme gehört. Greifen die Schieds-  len die Pfeife wieder an den Nagel hängen.
          richter in der Folge zur Gelben Karte oder schließen sie
          Akteure nach mitunter brutalen Vergehen sogar ganz   Klare Worte zu dieser Problematik findet Helmut Geyer.
          vom Spiel aus, dann sehen diese Spieler und auch ihre   Der Vorsitzende der DFB-Schiedsrichterkommission
          Mitspieler häufig „rot“. Schon mehrfach ist es passiert,   Amateure fordert für die Aus- und Weiterbildung von
          dass sich Gewaltexzesse über das Spielfeld hinaus auf   Schiedsrichtern: „Vor allem bei der Persönlichkeitsschu-
          die Offiziellen und die Zuschauer übertragen.   lung junger Unparteiischer reicht es nicht, wenn in der
                                                      Lehrarbeit mit dem Regelbuch nur die Theorie gepaukt
          Das Problem der Gewalt auf und neben den Fußball-  wird, wenn nur PowerPoint-Vorträge und Videoszenen
          plätzen hat inzwischen eine Dimension angenommen,   zum Einsatz kommen. Wie heißt es doch: Die Wahrheit
          die in zahlreichen Fußballkreisen nicht länger toleriert   liegt auf dem Platz! Und deshalb müssen realitätsnahe
          wird. Körperliche Angriffe auf Unparteiische führten in   Rollenspiele zur Ausbildung dazugehören.“
          den vergangenen Jahren dazu, dass Schiedsrichtergrup-
          pen in ganz Deutschland an einzelnen Wochenenden   Der aktuelle DFB-Lehrbrief Nr. 84 befasst sich mit die-
          in den Streik traten. Unter anderem forderten die Refe-  ser Problematik und zeigt auf, dass eine gezielte Lehr-
          rees im niedersächsischen Bezirk Weser-Ems (März 2017)   arbeit zum Thema „Der Feldverweis – wenn Spieler ,Rot‘
          und die Unparteiischen im Junioren-Fußball rund um   sehen“ im handlungsorientierten Lernen in kleineren
          Frankfurt (April 2018) wieder mehr „Fair Play“ auf den   Lerngruppen erfolgen sollte.
          Spielfeldern ein.
                                                      Die Verfasser gehen zunächst auf die Basiskompeten-
          AU F  KO N F LI K TE  VO R B E R E I TE N   zen ein, über die ein Schiedsrichter verfügen muss, wenn
                                                      in seinen Spielen „Persönliche Strafen“ auszusprechen
          Die Erfahrung hat gezeigt, dass nicht immer nur Gelbe   sind. Neben dem taktisch sinnvollen Vorgehen in sol-
          oder Rote Karten die Auslöser für unkontrollierbare   chen Situationen gehört es zu den Lernzielen, dass die
          Gewalt sein müssen – manchmal reicht schon die Ermah-  Schiedsrichter die unterschiedlichen Stufen bei der Spie-
          nung eines Spielers aus, um eine aggressive Gegenre-  leransprache kennen (Ermahnung, Gelbe Karte, Feld-
          aktion hervorzurufen. Gerade junge Unparteiische oder   verweis). Auch müssen den Unparteiischen die formalen
          welche mit nur wenig Erfahrung sind in solchen Situa-  Abläufe beim Erteilen von Verwarnungen oder Feldver-
          tionen dann oft überfordert.                weisen deutlich gemacht werden.

          In der Lehrarbeit muss ihnen deshalb in Rollenspielen
          und bei  der Bearbeitung von  Videoszenen  deutlich
          gemacht werden, wie sie beim Aussprechen von Ermah-
          nungen, bei Verwarnungen und Feldverweisen vorge-
          hen müssen. Denn selbst bei Spielen der jüngsten Alters-
          klassen kommt es auf und neben dem Platz immer öfter
          zu lautstarker Kritik.

          Spieler – und auch ihre Trainer und Eltern – wollen die
          Persönliche Strafe des Schiedsrichters nicht akzeptie-
          ren und protestieren gegen diese Entscheidung. Ein
          abwertendes Abwinken zählt zu den harmlosen Verhal-
          tensweisen. Eine Einsicht des eigenen Fehlverhaltens
          gibt es nur selten, stattdessen wird der Schiedsrichter
          als Schuldiger ausgemacht, beschimpft und beleidigt.
          Der Unparteiische gerät in solchen Momenten in eine
          Stresssituation, schließlich weiß er selbst, dass er das
          Spielerverhalten nicht akzeptieren darf – er möchte
          aber natürlich den Konflikt auch nicht weiter eskalieren   Die Lehrwarte haben die Aufgabe, ihre Referees (im Bild: Drittliga-Schiedsrichter Nicolas
          lassen.                                     Winter) auf Konfliktsituationen wie diese möglichst gut vorzubereiten.
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