Page 27 - DFB-Schiedsrichterzeitung 04-2019
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sich hier nicht in einem Ermessensbereich, in dem er wenn sogar Marco Reus, der den Ball aus dieser Position
seine Entscheidung abwägen könnte. zur Mitte gespielt hatte, meinte, dass „der Ball im Aus war“.
„Der Ball muss innerhalb des Eckbereichs platziert wer- Noch mal zurück zu Admir Mehmedi: Er legte den Ball
den“, heißt es in Regel 17, in der es um den Eckstoß einige Zentimeter zurück, sodass nun alles regelkon-
geht. „Muss“, nicht „kann“. Und da in Regel 1 („Spiel- form ablief (Foto 1c).
feld“) definiert ist, dass die Linien zum Raum gehören,
den sie begrenzen, muss der Ball bei der Eckstoß-Aus- 2 FC St. Pauli – Jahn Regensburg
führung so liegen, dass er zumindest mit der Linie, die (2. Bundesliga, 31. Spieltag)
den Eckbereich einfasst, in Verbindung ist. 9. Minute: Während St. Pauli den Ball im Mittelfeld führt,
befindet sich ein zweites Spielgerät auf dem Feld
Und wenn wir uns nun schon in diesem kleinteiligen (Foto 2a). Solange dadurch das Spielgeschehen nicht
Definitionsbereich befinden, sei auch noch auf Folgen- gestört wird, gibt es für den Schiedsrichter keinen Grund
des hingewiesen: Entscheidend ist nicht, wo der Ball einzugreifen. Oft ist es ja auch so, dass ein Spieler, der
den Boden berührt, das kann durchaus außerhalb der sich in der Nähe dieses zweiten Balls aufhält, die Kugel
Linie sein. Solange er nicht mit seinem gesamten Durch- aus dem Spielfeld kickt.
messer die Linie überschritten hat und sich die Rundung
des Balls noch über dieser Linie befindet, hat er beim Das hätte auch hier so sein können. Aber der Regens-
Eckstoß eine erlaubte Position. burger Benedikt Saller hat eine andere Idee: Ganz
bewusst spielt er den Ball in Richtung des St.-Pauli-Spie-
Wie schon erwähnt, mag das bei einem Eckball nicht lers, der den „richtigen“ Ball am Fuß hat (Foto 2b).
von herausragender Bedeutung sein. Brisanter wird es
bei einer Torerzielung. Zwar gibt es in der Bundesliga Nach einem kurzen Moment der Verblüffung, so hat es
die Torlinien-Technologie. Die aber kann nur zwischen jedenfalls den Anschein, unterbricht Schiedsrichter
den Pfosten zeigen, wo sich der Ball befand. Was aber, Patrick Alt das Spiel. Er schätzt das Verhalten des Regens-
wenn der Ball kurz davor im Toraus war – oder auch burgers, nämlich eine Spielunterbrechung erzwungen
nicht? zu haben, zu Recht als Unsportlichkeit ein und verwarnt
ihn deswegen.
Am 34. Spieltag gab es beim Spiel zwischen Borussia
Dortmund und Borussia Mönchengladbach genau diesen Interessant ist in diesem Fall auch die Spielfortsetzung:
Fall. Der Sportsender DAZN baute in seine Berichterstat- Für Unsportlichkeiten gibt es ja gemeinhin einen indi-
tung eine speziell für diese Situation angefertigte Grafik rekten Freistoß. In diesem Fall greift allerdings ein Pas-
ein (Foto 1d), die deutlich macht, dass der Ball hinter der sus der Regel 12: „Werfen eines Gegenstands in Rich-
Linie aufsetzt, aber trotzdem nicht im „Aus“ war. tung des Balls, eines Gegners …“, wobei hier das
Schießen des nicht zum Spiel gehörenden Balls mit dem
Das unmittelbar danach erzielte Tor war also regulär, so Werfen eines Gegenstands gleichzusetzen ist. Und das
wie es der Schiedsrichter auch entschieden hatte, selbst hat einen direkten Freistoß zu Folge.
2A
2a_Der zweite Ball befindet sich in der Nähe
2 eines Regensburger Spielers (Dritter von
rechts), …
2b_… der ihn umgehend in Richtung des
ballführenden Gegenspielers schießt.
2B
http://bit.ly/SZ-4-19-Zweiter-Ball