Page 17 - DFB-Schiedsrichterzeitung 02-2020
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cken. Doch dabei erweisen sich – von wenigen Ausnah- Spieldauer bis zur Größe des Balles, bei Pokalspielen
men abgesehen – ihre Entscheidungen im Nachhinein beispielsweise, ob es bei Unentschieden sofort ein Elf-
meist als regeltechnisch korrekt. Nur selten gibt es soge- meterschießen oder erst noch eine Verlängerung gibt.
nannte „falsche Tatsachenentscheidungen“ und kaum
einmal echte „Regelverstöße“. Mit dem Betreten des Spielfelds beginnt dann für den
Schiedsrichter seine Entscheidungsgewalt, denn jetzt
Auch die Mehrzahl der mehr als 57.000 Schiedsrichte- kann er bis zum Verlassen des Spielfelds nach dem
rinnen und Schiedsrichter im Amateurbereich, ausge- Schlusspfiff Persönliche Strafen aussprechen. Die Mög-
bildet von qualifizierten Lehrwarten, beweist ein beson- lichkeit, Spielstrafen zu verhängen, beginnt dagegen
deres Maß an Fachkompetenz in ihren Spielleitungen. erst in dem Augenblick, wenn der Ball im Spiel ist, sich
Woche für Woche sorgen die Referees dafür, dass beim also nach dem Anpfiff des Schiedsrichters bewegt hat.
Fußball in Deutschland alles in geregelten Bahnen ver-
läuft und nach den offiziellen Spielregeln gespielt wird. Im Laufe eines Spiels wird der Referee nun bis zu
Für die Unparteiischen bedeutet dieser Anspruch, dass 200-mal auf der Grundlage seiner Fachkompetenz ent-
sie gerade in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von scheiden, ob er das Spiel unterbrechen muss. Spielfort-
Regeländerungen zu erlernen hatten, um zu jeder Zeit setzungen nach den Regeln 15 bis 17 und die Spielstra-
fachlich auf dem aktuellsten Stand zu sein, vor allem fen gemäß Regel 12 stehen dabei im Mittelpunkt seines
bei der Auslegung von Handspiel und Abseits. Handelns.
In einem Interview mit der Zeitschrift „11 Freunde“ berich- Jedem Schiedsrichter muss in diesem Zusammenhang
tet Lukas Brud, Leiter des International Football Associ- klar sein, dass sich die Art der Spielstrafe aus dem jewei-
ation Board (IFAB), von der Arbeit seines Gremiums und ligen Vergehen ergibt. So ist im Regelwerk vorgeschrie-
erklärt: „Mehr als 100 Jahre lang gab es nur eine Sitzung ben, dass für ein Halten, Treten oder Beinstellen gegen
im Jahr, weil nur wenig geändert werden musste. Das ist einen Gegenspieler ein direkter Freistoß vorgesehen
im heutigen Fußball kaum noch denkbar. Vieles verän- ist – während es nach einer strafbaren Abseitsstellung
dert sich, der Fußball ist dynamischer und schneller oder der Kritik an einer Entscheidung des Schiedsrich-
geworden, die Spielregeln müssen das reflektieren.“ ters immer nur einen indirekten Freistoß geben kann.
Diese Dynamik führte sogar dazu, dass in den vergan- In einigen Passagen der DFB-Regeln wird deutlich, dass
genen Jahren einige Regeländerungen nicht zu Saison- dem Schiedsrichter in bestimmten Situationen ein
beginn kamen, sondern dass es sogar noch im laufen- Ermessens spiel raum zugestanden wird. So heißt es in
den Spieljahr von der FIFA kurzfristige Ergänzungen gab, Regel 12 unter „verwarnungswürdige Vergehen“, dass
die von den Verbänden bis an die Basis transportiert „wiederholtes Verstoßen gegen die Spielregeln“ mit
werden mussten. Für die Lehrwarte war das oft eine einer Gelben Karte zu ahnden ist, ohne dass dabei eine
große Herausforderung, schließlich sollen doch alle bestimmte Anzahl von Verstößen genannt wird.
Fußballspiele regeltechnisch unter den gleichen Vor-
aussetzungen ablaufen. Auch beim „Protestieren durch Worte oder Handlungen“
oder beim „unsportlichen Betragen“ ist es von der sub-
B I S Z U 2 0 0 E N T S C H E I D U N G E N P R O S P I E L jektiven Bewertung eines jeden Unparteiischen abhän-
gig, ob er dies als verwarnungswürdig einstuft und mit
Der formale Rahmen für die Tätigkeit der Unparteiischen „Gelb“ bestraft oder nicht.
findet sich in der Schiedsrichterordnung. Die regeltech-
nischen Anweisungen für die Spielleitungen ergeben Bei Vorkommnissen wie dem „wiederholten Foul“ wird
sich aus den amtlichen Fußball-Regeln des DFB. Hieraus der Schiedsrichter in jedem Fall unterschiedliche Fak-
resultieren für jeden Referee Kompetenzanforderungen, toren in seine Ermessensentscheidung einfließen las-
die sich in folgenden Eckpunkten wiederfinden: sen. Dazu zählen die Schwere des Vergehens, der Spiel-
charakter, aber auch die Frage, ob durch das Vergehen
• Die Rechte und Pflichten aus DFB-Schiedsrichterord- ein erfolgversprechender Angriff unterbrochen wurde,
nung und Regelwerk sodass ein taktisches Foul vorlag.
• Die Entscheidungsgewalt des Schiedsrichters im
Rahmen der Regel 5 Im DFB-Lehrbrief Nr. 90 betonen die Verfasser, dass
• Der Ermessensspielraum eines Schiedsrichters schon im Anwärterlehrgang, spätestens jedoch bei den
regelmäßigen Lehrabenden und Lehrgängen die
Bezogen auf die grundsätzlichen Hinweise in der Schiedsrichter in den angesprochenen Kompetenzen
DFB-Schiedsrichterordnung, ergibt sich für die Unpar- geschult werden müssen. Es steht fest, dass nur der
teiischen eine Vielzahl von Pflichten: zum Beispiel die fachlich sichere Unparteiische mit einem starken Per-
Teilnahme an den regelmäßig stattfindenden Lehraben- sönlichkeitsprofil seine Spiele erfolgreich leiten und
den, die Bestätigung von Spielansetzungen, die recht- die Zahl seiner „falschen Tatsachenentscheidungen“
zeitige Eintragung notwendiger Freitermine. auf ein Minimum reduzieren kann.
Zum administrativen Bereich gehört es, dass sich jeder Auf Grundlage einer „Stationenarbeit“ gibt es im aktu-
Schiedsrichter im Zusammenhang mit seiner Spiellei- ellen DFB-Lehrbrief eine Vielzahl von Arbeitsmitteln,
tung rechtzeitig informieren muss, welche Bestimmun- die zu dieser Aufgabenstellung für die Lehrwarte sicher
gen er für sein jeweiliges Spiel beachten muss – von der eine wertvolle Hilfe sind.