Page 17 - DFB-Schiedsrichterzeitung 01-2020
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Korrekt gewesen sei es dagegen, dass der bereits ver- Wagner. Sprich: „Rot“ für Bellarabi und „Gelb“ für Mas-
warnte Marcel Sabitzer im Spiel von RB Leipzig bei Borus- simo. Die Relation müsse stimmen, sonst sei die Ver-
sia Mönchengladbach am 6. Spieltag trotz eines taktischen hältnismäßigkeit bei deutlich unterschiedlichen Verge-
Fouls nicht „Gelb/Rot“ bekommen habe. Der Leipziger hen nicht mehr gegeben.
hatte Christoph Kramer bei einem schnellen Angriff der
Hausherren am Trikot festgehalten und so versucht, ihn Am Ende der Tagung geht es noch um eine sehr spezi-
auf unfaire Weise zu stoppen. Der Gladbacher blieb jedoch elle Situation in der Begegnung zwischen dem
unbeeindruckt und schüttelte seinen Gegner einfach ab. FC Schalke 04 und Werder Bremen am 2. Spieltag. Da
Der Schiedsrichter wandte die Vorteilsbestimmung an, nämlich spuckte der Schalker Ozan Kabak seinen Gegen-
und nicht nur der Fernsehkommentator ging fest davon spieler Ludwig Augustinsson an, nachdem er ihn zuvor
aus, dass Sabitzer in der nächsten Unterbrechung mit direkt vor den Trainerbänken gefoult hatte. Außer dem
„Gelb/Rot“ des Feldes verwiesen werden würde. übertragenden Sender, der die Wiederholung dieser
Szene allerdings auch erst Minuten nach dem Vorfall
Doch wenn nach einem rein taktischen Vergehen der einspielte, bekam niemand diesen Vorfall mit. Nicht der
Vorteil gewährt wird, entfällt die sonst vorgesehene Ver- Schiedsrichter, nicht der Assistent, nicht der Vierte Offi-
warnung, weil der Versuch keinen Erfolg hatte. Der Unpar- zielle, nicht der Video-Assistent, ja, nicht einmal die
teiische handelte also richtig. Hätte der Leipziger Kapitän Bremer Bank.
seinen Gegenspieler dagegen mit einem nicht nur takti-
schen, sondern auch rücksichtslosen Foul zu Fall gebracht, „Keinen Vorwurf an das Schiedsrichter-Team und auch
dann wäre die Verwarnung aufgrund der Härte des Ver- nicht an den Video-Assistenten“, betont Wagner, „das
gehens trotz des Vorteils fällig gewesen. „Auch bei einem kam völlig aus dem Nichts.“ Die Frage sei gleichwohl, wie
respektlosen Halten wäre das der Fall gewesen“, fügt lange eine Persönliche Strafe noch ausgesprochen wer-
Wagner hinzu. „Das heißt, wenn er ihm das Trikot halb den könne, wenn eine Tätlichkeit, ein Spucken oder sons-
ausgezogen oder ihn mehrfach gehalten hätte.“ tige Formen krass sportwidrigen Verhaltens dem Schieds-
richter erst nach der Spielfortsetzung gemeldet werden.
Lutz Wagner hebt außerdem noch einmal hervor, dass Bis zur nächsten Spielunterbrechung? Oder länger? „Es
es mit Blick auf die Persönliche Strafe bei manchen Ver- können auch mehrere Spielfortsetzungen zwischen dem
gehen einen Unterschied machen könne, ob ein Spieler Vorfall und der Meldung liegen“, so Wagner, „das ist in
oder Auswechselspieler es begehe oder ein Teamoffi- Spielen mit Video-Assistenten sowieso nicht ausgeschlos-
zieller. Als Beispiel nennt er das Werfen eines Balles auf sen, ohne sie allerdings eher unwahrscheinlich.“
das Feld, um das Spiel zu verzögern: „Macht das ein
Auswechselspieler, dann wird er lediglich verwarnt. Der DFB-Lehrwart definiert die Grenzen: „Wenn der
Macht das dagegen ein Trainer, dann ist die Rote Karte Halbzeit- oder Schlusspfiff erfolgt ist und der Schieds-
fällig, und er muss den Innenraum verlassen.“ richter das Spielfeld verlassen hat, ist eine Sanktion nicht
mehr möglich.“ Grundsätzlich gelte das auch, wenn die
Zudem gibt Wagner einige Klarstellungen zu Zweifels- Information erst mehrere Minuten nach dem Vorfall zum
fällen bekannt. So führt ein Einwurf, der etwa hinter der Unparteiischen vordringe. „Denn dann hieße es: Jetzt
Bande oder von einem Hügel hinter der Seitenlinie aus- hat der Schiedsrichter einen Input von außen bekom-
geführt wird, nicht mehr zu einer Wiederholung durch men, also von Dritten.“ Und das sei nicht gewollt, die
dieselbe Mannschaft, sondern zu einem Einwurf für den entsprechende Meldung dürfe ausschließlich aus dem
Gegner. Und werden Spielaufbauten zerstört, etwa die Schiedsrichter-Team stammen und müsse von äußeren
Eckfahne durch einen schwungvollen Tritt im Zuge eines Einflüssen frei sein.
Torjubels, dann muss es eine Verwarnung für den betref-
fenden Spieler geben. „Natürlich sollen die Spieler ein Mit Lutz Wagners Hoffnung, „dass wir uns bald wieder
Tor feiern dürfen“, so Wagner zur Begründung. „Aber auch persönlich sehen können“, endet die virtuelle Lehr- Stirn an Stirn stehen
wenn sie dabei etwas kaputt machen, geht das zu weit.“ wartetagung. Die Teilnehmer sind froh, dass sie wenigs- sich Massimo und
tens online stattfinden konnte. Aber den festen Wunsch, Bellarabi gegenüber,
Zu weit ging auch der Leverkusener Karim Bellarabi in dass das eine Ausnahme bleiben möge, dürften alle bevor der Lever-
kusener seinem
der Partie beim VfB Stuttgart am 3. Spieltag: Erst foulte haben. Gegner plötzlich an
der Nationalspieler den Stuttgarter Roberto Massimo, die Nase greift.
als dieser den Ball ins Seitenaus rollen lassen wollte.
Dann brach er einen Streit mit Massimo vom Zaun: Stirn
an Stirn standen sich die beiden gegenüber – und plötz-
lich griff der Leverkusener seinem Gegner unvermittelt
an die Nase. Als der Schiedsrichter dazwischenging, ver-
hielt sich Bellarabi ihm gegenüber auch noch respekt-
los. Der Unparteiische verwarnte beide Spieler.
Bei einem solchen Griff ins Gesicht sei ein Feldverweis
angemessen, sagt Lutz Wagner. Ohnehin sei es proble-
matisch, beide Spieler gleich zu bestrafen, wenn einer
davon deutlich stärker gegen die Regeln verstoßen habe,
so wie in diesem Fall. „Die Gewichtung der Persönlichen
Strafen hätte hier anders ausfallen müssen“, bemerkt