Page 27 - DFB-Schiedsrichterzeitung 02-2021
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egeltechnisch betrachtet ist die Sache eigentlich nisch ahndet, auch die Frage nach einer Persönlichen TE X T
ganz einfach: „Auf Strafstoß wird entschieden, Strafe. Alex Feuerherdt
R wenn ein Spieler innerhalb des eigenen Strafraums Rainer Werthmann
oder außerhalb des Spielfelds bei laufendem Spiel, wie Im Folgenden werfen wir einen Blick auf ausgewählte
in den Regeln 12 und 13 umschrieben, ein Vergehen Strafraumszenen in den beiden höchsten deutschen
begeht, das mit einem direkten Freistoß geahndet wird.“ Spielklassen im bisherigen Saisonverlauf, analysieren
So steht es in der Regel 14. In der Praxis aber stellt die dabei die Entscheidungen der Schiedsrichter und arbei-
Bewertung von Zweikämpfen und natürlich auch von ten heraus, worauf besonders zu achten ist und worin
Handspielen im Strafraum eine echte Herausforderung möglicherweise eine spezielle Schwierigkeit bestand.
dar, zumal die Ahndung von Vergehen größeren Mut Dabei begegnen uns ganz unterschiedliche Verhaltens-
erfordert als außerhalb dieser Zone. weisen im Zweikampf und recht verschiedene Formen
des Körpereinsatzes von Defensivspielern.
Denn die Konsequenz ist ungleich gravierender: Bei
einem Strafstoß ist die Wahrscheinlichkeit, ein Tor zu 1 Borussia Dortmund – VfB Stuttgart
erzielen, wesentlich höher als bei einem Freistoß – sie (11. Spieltag)
liegt bei rund 75 Prozent. Das führt dazu, dass die angrei- Bei einem schnellen Angriff der Stuttgarter wird der Ball
fende Mannschaft ihn oft vehement fordert, wenn etwa aus dem linken Halbfeld in die Spielfeldmitte gespielt,
einer ihrer Spieler im Strafraum zu Fall kommt. Umge- wo Mateo Klimowicz 22 Meter vor dem Tor in Ballbesitz
kehrt gibt es regelmäßig Proteste des verteidigenden gelangt und nur noch den Torwart vor sich hat. Er dringt
Teams, wenn der Schiedsrichter auf den ominösen Punkt in den Strafraum ein, verfolgt von Emre Can. Etwa 13
zeigt, schließlich droht nun ein Gegentor. Solche emo- Meter vor dem Gehäuse der Gastgeber setzt der Dort-
tionalen Reaktionen setzen die Unparteiischen natur- munder zum Tackling an, als Klimowicz in zentraler Posi-
gemäß unter besonderen Druck. tion unmittelbar vor dem Abschluss ist. Can trifft jedoch
nicht den Ball, sondern nur die Beine des Angreifers, der
Erschwert wird gerade die Zweikampfbewertung im dadurch zu Fall gebracht wird (Foto 1a).
Strafraum dadurch, dass so mancher Stürmer einen
Körperkontakt – oder auch nur die Nähe eines Kontra- Eine Eingriffsmöglichkeit für andere Dortmunder Spieler
henten – gerne „annimmt“ und zu Boden geht, obwohl besteht nicht (Foto 1b), sodass durch das Foulspiel eine
der Gegner das gar nicht verursacht hat. Auf der ande- offensichtliche Torchance vereitelt wird. Der Schiedsrich-
ren Seite versuchen Verteidiger bisweilen, mit mög- ter ist günstig positioniert und hat dadurch einen guten
lichst unauffälligen und dadurch für den Schiedsrich- Blick auf den Zweikampf. Er erkennt deshalb sowohl, dass
ter schwierig zu erkennenden regelwidrigen es sich um ein Vergehen handelt, als auch, dass Emre Can
Aktivitäten einen gegnerischen Spieler vom Ball zu bei seinem Tackling im Strafraum den Ball zu spielen ver-
trennen oder daran zu hindern, an den Ball zu kom- sucht und ihn nur knapp verfehlt hat. Aufgrund dieser
men. Und schließlich stellt sich, wenn der Unparteii- Ballorientierung verwarnt der Unparteiische den Spieler
sche ein Strafraumvergehen wahrnimmt und spieltech- lediglich, wie es die Regel 12 vorsieht.
2A
2a_Holland schlägt einen Haken um
Ofori. Der Schiedsrichter verfolgt
den Zweikampf aus optimaler
2 Position.
2b_Ofori trifft den Angreifer am
Fuß, dieser kommt dadurch zu 2B
Fall. Deshalb entscheidet der
Unparteiische auf Strafstoß.
https://bit.ly/SZ-02-21-Szene-02